Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
doch lediglich den Paarungsruf der Gorillas«, mischte ich mich ein.
Er gab dazu keinen Kommentar.
»Womit beschäftigst du dich denn jetzt, Joker?« erkundigte sich Simon.
»Ich mache Geschäfte. Ganz legal. Die Buchführung ist perfekt.«
»Du hast also aufgehört, Leute gegen Bezahlung zu mißhandeln?«
»Meine Verfehlungen sind gesühnt. Ich habe eine Importfirma übernommen, die seit achtzehn Jahren als ehrbares Unternehmen im Handelsregister steht. Ihr könnt mich nicht festsetzen, ihr verdammten Schweine!«
Zuletzt war er wieder auf seine alte Ausdrucksweise verfallen, aber unsere liberalen Gesetze ließen es nicht zu, ihn deswegen anzuklagen.
»Warum hast du dich versteckt? Warum steht Hansen an deiner Wohnungstür?«
»Ich wohne zur Untermiete, aber ich habe eine Villa in Upplands Väsby in Aussicht. Wenn mir bekannt gewesen wäre, daß ihr mich sucht, hätte ich mich bei der Polizei gemeldet. Aber ich bin ja kein Gedankenleser.«
Simon lächelte ihn fast zärtlich an.
»Wir werden noch oft und lange Gelegenheit haben, uns zu unterhalten. Jetzt hast du erst mal Zeit, dir ein paar Lügen für das nächstemal auszudenken.«
»Mein Anwalt wird bald hier sein. Ihr werdet es nicht schaffen, mich noch einmal unschuldig hinter Gitter zu bringen.«
Als wir in Simons Büro zurückgingen, murmelte er: »Der Haftbefehl wird vielleicht aufgehoben werden. Wir haben faktisch keine Beweise gegen ihn. Das wird heute wieder ein harter Tag.«
»Du hättest sehen sollen, wie ich Virena in Skebo traf und sie …«
»Rolle, komm bitte noch einen Augenblick mit hinein. Dann muß ich dich bitten, dich wieder um deinen Umzug zu kümmern.«
Aus seinem Schrank holte er eine selbstgebastelte Deckenlampe und reichte sie mir.
»Hier, das ist unser Einweihungsgeschenk. Die Jungens und ich haben sie gebastelt. Solche Lampen sind jetzt wieder modern. Außerdem sollte man es mit Goethe halten, der meinte, man könne nie genug Licht bekommen.«
Ich dankte ihm gerührt. Das hatte ich nicht erwartet. Aber mehr Zeit konnte er mir nun nicht mehr widmen, und so erfuhr er noch nicht, daß die Hassels wieder lieb zueinander waren. Mit der Lampe in der Hand ging ich hinunter zum Auto. Ich plazierte das gute Stück vorsichtig auf dem Rücksitz und fuhr in die Drottninggatan.
Die Leute strömten jetzt zur Arbeit, aber die beiden Typen von der Spedition hatten den Bürgersteig abgesperrt, so daß die Fußgänger einen kleinen Umweg machen mußten. Die Lampe war mir während der Fahrt schon ein paarmal beinahe vom Sitz gefallen, und ich beschloß, sie mit auf den Transporter zu laden. Ich stieg über die Absperrung und ließ die verstellbare Rampe zur Ladefläche hinauffahren.
Sie waren schon ganz schön weit gekommen. Da standen die Sitzecke, der Fernsehapparat und die Küchenmöbel. Das Doppelbett hatten sie hochkant gestellt. Wo sollte ich die Lampe verstauen?
In der Ecke standen einige Packkisten. Ich schaute in die erste hinein. Sie war voller Bücher. Auch die zweite war vollgepackt und bot keinen Platz mehr. Blieb noch die dritte Kiste. Sie war nur halbvoll und enthielt Decken und Stoffreste, deren Muster ich nicht kannte. Hier würde die Lampe den Transport gut überstehen. Ich schob die Textilien zur Seite, um mehr Raum zu schaffen.
Ein kleiner weißer Finger wurde sichtbar zwischen den Lumpen. Aha, die Gipsfigur, die Virena von Verwandten geerbt hatte. Aber waren deren Finger denn schon immer so groß gewesen? Ich legte die Lampe zur Seite und zog eine Handvoll Stoffetzen aus der Kiste. Eine Hand mit gespreizten Fingern. Gips? Ich faßte sie an.
Kalt, aber weich. Das war kein Gips, sondern …
Ich riß die Lumpen aus der Kiste und warf sie auf den Boden. Die Hand. Dann ein Arm, Haarsträhnen, ein Ohr. Die letzte Decke. Ich erstarrte mitten in der Bewegung. Ich kannte sie. Ich hatte sie gekannt, als sie noch lebte.
Helga Lund!
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Ein leises Geräusch ließ mich herumfahren. Die beiden jungen Männer standen nebeneinander am Ende der Ladefläche. Einer von ihnen löste den Riemen, der die aufgerollte Plane hielt. Gleich darauf wurde es dunkel um mich herum. Dunkel, aber nicht ganz finster. Die beiden näherten sich mir, vorgebeugt und mit ausgebreiteten Armen. Eine Erklärung war nicht nötig. Sie wußten, daß ich gesehen hatte, was ich nicht sehen sollte. Automatisch griff ich nach meiner Dienstwaffe, aber sie war nicht da.
Gab es eine Fluchtmöglichkeit? Ich sah mich schnell um. Nein.
Hinter
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