Roland Hassel - 14 - Piraten
Und, um deine zweite Frage zu beantworten, solange ich einen Hanswurst vor mir sehe, muß ich mich wohl wie im Zirkus fühlen.«
»Du bist doch selbst schuld, verfluchter Idiot! Wir werden schon sehen, wer zuletzt der Hanswurst ist!«
Mit einem essigsauren Zeigefinger schaltete er das Bandgerät wieder ein. Er wagte es tatsächlich, einen guten -jedenfalls ziemlich guten – schwedischen Polizisten des Raubes und des Doppelmordes zu bezichtigen! Welche bodenlose Gemeinheit! Wenn der Stacheldraht verdaut war, würde ich meine Zähne in eine rostige Panzerplatte schlagen und sie in Stücke reißen. Ich spürte förmlich, wie es hinter meinem Stirnbein brodelte. Seit dem Augenblick, da ich meine Dienstwaffe abgeben und einsehen mußte, daß ich verhaftet war, hatte ich unter Schock gestanden. Jetzt war ich dabei, diesen Zustand zu überwinden – oder mich noch weiter hineinzusteigern. Wie soll man reagieren, wenn einem das ganze Arbeitsleben für wertlos erklärt wird?
»Wo bist du am 6. Oktober 1992 zwischen vierzehn und fünfzehn Uhr gewesen?«
»Wahrscheinlich nicht im Bett.«
Sehr wenige Menschen können auf Anhieb sagen, was sie Jahre zuvor an einem bestimmten Tag gemacht haben, es sei denn, sie haben ein Tagebuch oder eine andere Gedächtnisstütze zur Verfügung. Natürlich kann man sich an besondere Festtage erinnern, aber die ganz normalen Tage verschmelzen zu einer grauen Masse. Trotzdem stellen Vernehmungsleiter immer wieder solche dummen Fragen und wundern sich, daß sie keiner unmittelbar beantworten kann.
»Wir haben uns informiert, welche Aufgaben du an jenem Dienstag zu lösen hattest.«
»War es ein Dienstag? Da aß ich sicher eine alte Fastensemmel, gefolgt von der üblichen Dienstagssuppe. Ich achte sehr auf die Traditionen.«
»Deinem eigenen schriftlichen Bericht zufolge warst du den ganzen Tag unterwegs, hast aber offenbar keine der von dir gesuchten Personen angetroffen. Wie erklärst du das?«
»Es war möglicherweise nicht mein Tag. Vielleicht war ich auch in Sydney und fahndete nach einem Känguruh?«
»Von neun bis halb fünf warst du …«
»Sechzehn Uhr dreißig. Bitte exakt, sonst zeige ich dich wegen Irreführung an.«
Ovengren war das Grinsen vergangen. Man sah ihm an, daß er mich haßte, und das freute mich. Auch die Hölle hat verschiedene Stufen. Er war in der schlechteren Lage, denn er mußte auf dem Tonband sachlich und ausgeglichen klingen. Ich dagegen konnte sagen, was ich wollte. Das machte mich euphorisch.
»Es gibt klare Beweise, daß du mit einer kriminellen Bande unter einer Decke gesteckt hast.«
»Ich benutze nie Decken. Schlafsäcke sind viel bequemer.«
Er zeigte mir seine gelben Zähne, und darauf hätte ich gern verzichtet, aber man kann nicht alles haben, nicht einmal in einem Vernehmungsraum.
»Zusammen mit drei anderen Kriminellen hast du den Bankraub geplant, und am sechsten Oktober habt ihr euch getroffen. In einem gestohlenen Audi seid ihr zu der Filiale gefahren und habt sie überfallen. Ihr wart alle vier mit automatischen Karabinern bewaffnet und habt geschossen. Der Filialleiter Georg Hakansson wurde in die Schulter getroffen; Frau Britt-Marie Wanneby bekam einen Schuß in die linke Gesichtshälfte.«
Und das sollte ich getan haben! Daß sie sich nicht schämten!
»Als ihr zu dem Audi flüchten wolltet, kamen euch die Streifenpolizisten Jansson und Hall in die Quere. Beide wurden niedergeschossen. Ihr habt drei Millionen vierhundertsechsundvierzig Tausend Kronen in Scheinen erbeutet, die nicht ermittelt werden können. Falls ihr durch vier geteilt habt, bekam jeder etwa achthundertsechzigtausend Kronen. Hassel, was hast du mit dem Geld gemacht?«
Ich lehnte mich zurück, faltete die Hände im Nacken, schaute ihn nachdenklich an und sagte:
»Eines würde ich gern wissen: Gibt es einen dümmeren Menschen auf der Welt als Axel Ovengren?«
»Du willst also nicht verraten, was du mit deinem Teil der Beute gemacht hast?«
»In den dreißiger Jahren soll es in Japan einen Mann gegeben haben, der noch blöder war als du. Im ganzen Land organisierte man Sonderzüge, damit ihn die Leute begaffen konnten. Als er an Idiotie gestorben war, stopfte man ihn aus und zeigte ihn für Geld. Ich schätze, du wirst es mal zu einem eigenen Mausoleum bringen.«
»Wie heißen deine Kumpane in der Bande?«
»Vielleicht Bandenberg, Bandenström und Bandengren?«
»Ist das deine Antwort?«
»Das war keine Antwort, sondern eine Frage. Du weißt schon, das sind
Weitere Kostenlose Bücher