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Roland Hassel - 14 - Piraten

Roland Hassel - 14 - Piraten

Titel: Roland Hassel - 14 - Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olov Svedelid
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schützten mich die Paragraphen des Gesetzbuches. Willkürlich Verhaftete konnten und können Jahre darauf warten, vor ein Gericht gestellt zu werden; manche sterben vor der Zeit. Mich jedoch durften sie nicht vergessen. Ich war verhaftet, nun begann der juristische Apparat zu arbeiten. Die Mühlen der Bürokratie beschäftigten sich mit meinem Fall; es war ausgeschlossen, daß jemand in einigen Monaten mein ausgemergeltes Skelett finden würde. Ach Gott, den Hassel, den hatten wir ja auch noch in Gewahrsam – solche Sprüche würden mir erspart bleiben. Nein, es ist genau vorgeschrieben, wie lange man festgehalten werden darf, bis der nächste rechtliche Schritt erfolgen muß.
    Das änderte jedoch nichts daran, daß die Zeit in meiner Zelle stillzustehen schien. Aber bis zum Verhör, bis zur Befreiung würde ich es noch aushalten. Ich war fest davon überzeugt, daß es sich um ein lächerliches Mißverständnis handelte. Wenn der Vernehmungsleiter erfuhr, wen er da festgenommen hatte, würde er vor Scham in den Boden versinken; wie ein Hund, der merkt, daß er Herrchens Lieblingspantoffeln zerbissen hat. Seine Einladung zu Kaffee, Kuchen und Kognak würde ich natürlich ablehnen, den guten Willen jedoch anerkennen. Außerdem …
    Endlich, endlich drehte sich der Schlüssel im Schloß, und plötzlich war nichts anderes mehr wichtig. Zwei Wärter kamen herein. Es waren typische Vollzugsbeamte, denn sie wirkten völlig unpersönlich und demonstrierten damit, daß es zwischen ihnen und dem Delinquenten keinerlei Verbindung gab.
    »Könnt ihr mich nicht tragen?« schlug ich vor.
    »Wieso tragen?«
    »Wenn ich nicht freiwillig zum Verhör komme, müßt ihr mich tragen, einer am Oberkörper und einer an den Beinen. Kleiner Tip: Das Kopfteil ist schwerer.«
    »Weigerst du dich denn mitzukommen?«
    »Nein. Das war nur Spaß.«
    »Dann spar dir in Zukunft solche Scherze.«
    Der Gehirnbrei löste sich auf, und ich war nur noch gespannt, wie diese Farce enden würde. Daß ich ein paar – oder waren es drei oder vier? – Stunden zu spät zum Essen kam, war für meine Familie nichts Neues. Wenn man mit einem Bullen verheiratet ist, muß man sich an einiges gewöhnen. Obwohl ich schon ein staatliches Beefsteak im Magen hatte, würde ich mir eine gemütliche Abendmahlzeit mit meinen Lieben nicht nehmen lassen. Daß ich im Gefängnis gesessen hatte, mußten sie ja nicht unbedingt erfahren.
    »Rein hier!«
    »Oh, hat die Party schon begonnen?«
    In bester Stimmung trat ich ein, doch die gute Laune verging mir, als ich sah, wer meine Vernehmung leiten würde. Kommissar Axel Ovengren war etwa sechzig Jahre alt. Groß und schwer wie ein Ochse, mit einem Stiernacken, langer, einem Elefantenrüssel gleichender Nase, flußpferdkleinen Augen und fleischigen Schimpansenlippen, verkörperte der Mann einen ganzen zoologischen Garten. Er hatte kurzes, graues Stoppelhaar, das an ein Kornfeld während einer Dürreperiode denken ließ. Das Hemd spannte über Brust und Bauch, und aus den Schlitzen an der Knopfleiste schauten verschreckte graue Haarbüschel hervor.
    Innerhalb des Polizeikorps hatte ich nicht viele Feinde. Während der Jahre war ich einigen auf die Füße getreten, andere hatten sich bei mir unbeliebt gemacht; alles nicht der Rede wert. Wenige Kränkungen rechtfertigen es, nachtragend zu sein. Aber es gab ein paar Menschen, deren Chemie mit meiner nicht übereinstimmte, und das bedeutete kurze Zündschnur, heftige Rauchentwicklung und Explosionen. Solche Leute lockten stets meine schlimmsten Seiten hervor, fünf Minuten mit einem von ihnen, und ich mußte mir ein einsames Plätzchen suchen, um meinen aufgestauten Ärger über kompakte Dummheit, Vorgesetztenarroganz, Knechtmentalität oder Wichtigtuerei abzureagieren. Diese Typen waren zur Polizei gekommen, als es schwer war, junge Leute für unseren Beruf zu begeistern. Damals nahm man jeden, und später wurde man sie nicht wieder los. Wickman zum Beispiel, der meinen Adrenalinspiegel bei jeder Begegnung nach oben schnellen ließ, hatte sich listigerweise über die Gewerkschaft hochgearbeitet und war zu einem Machtfaktor geworden. Ovengren hatte ich viele Jahre nicht getroffen; meinetwegen hätte ein Jahrhundert daraus werden dürfen. Schon beim Anblick seines großporigen Gesichts stieg Ekel in mir auf. Wie er es geschafft hatte, Kommissar zu werden, wußte keiner; er verstand es jedenfalls, Schwächere beiseite zu drücken. Sein Ruf im Polizeikorps war denkbar schlecht; die

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