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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Riedt
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bedeutete.
    »Nein, mein Junge, gräm dich nicht. Das Wichtigste ist jetzt, dass du die Arbeit zu Ende bringst. Mein Mädchen wird dir helfen. Es war gut, dass ich ihr so viel beigebracht habe.« Damit sah er Anna an.
    »Meister, hätte ich nicht getrunken, wäre das vielleicht alles nicht passiert.«
    »So redet nur ein Narr. Es ist nicht deine Schuld, das habe ich dir gestern schon gesagt.«
    »Wie kann ich sicher sein?«, fragte Claas.
    Anna verstand nicht, worum es zwischen den Männern ging, und schaute verwirrt von einem zum anderen.
    »Es ist nicht mehr wichtig. Nur die Statue ist wichtig, das weißt du.« Erneut hustete der Vater, und Anna stockte der Atem, als er seine Augen schloss. Nach einem Moment öffnete er sie jedoch wieder, und sie atmete erleichtert auf.
    »Du warst mir all die Jahre mehr als ein Lehrling und Geselle …«
    »Und Ihr mir mehr als ein Meister.«
    »Ich wäre froh, wenn Anna einmal einen solchen Mann ehelichen würde.«
    »Vater …« Wie konnte er in diesem Moment an so etwas denken. Er ignorierte ihre Empörung, und Claas schwieg.
    »Sie widerspricht nur zu oft.« Erneut versuchte er ein Zwinkern. »Dann wäre auch der Betrieb in guten Händen. Ihr müsst mir ein Versprechen geben. Ihr müsst die Statue für mich fertigstellen. Erkläre Anna, was es damit auf sich hat, sie wird dir helfen können, Claas. Wenn du den Lohn erhältst, teile mit meiner Familie, dann ist für euch alle gesorgt. Willst du das tun?«
    »Ich tue alles, was ich kann. Das schwöre ich bei Gott.«
    »Guter Junge.« Mit viel Mühe wandte ihr Vater sich ihr wieder zu und verzog das Gesicht, als ein weiterer Hustenanfall ihn viel Blut spucken ließ. Anna ahnte, dass es zu Ende ging, und unter Tränen säuberte sie ihm noch einmal das Kinn. Es brach ihr beinahe das Herz, ihn so leiden zu sehen.
    »Versprich mir, dass du ihm helfen wirst, mein Kind.« Erwartungsvoll sah er sie an, nachdem der Anfall vorüber war. Anna nickte nur stumm, damit er sich nicht weiter anstrengen musste.
    Geführt von Mechthild und dem Bader, betrat ihre Mutter das Zimmer. Sie sah verwirrt aus, als die beiden sie behutsam zum Bett ihres Mannes führten.
    »Mein liebes Weib. Wir hatten so gute Jahre, ich möchte keines –« Ein erneuter Hustenanfall unterbrach ihn, und eine Unmenge Blut ergoss sich auf das Laken. Seine Augen waren angstgeweitet.
    »Jacob!«, schrie ihre Mutter und brach in den Armen von Mechthild zusammen.
    Der Bader hob ihren Vater sanft an, doch der Anfall wollte nicht vorübergehen. Er schnappte zweimal laut nach Luft, dann verstummte er, und sein Kopf fiel langsam zur Seite.
    »Vater … Vater!« Anna schrie verzweifelt, doch wusste sie längst, dass sie ihn in diesem Moment verloren hatte.
    Erinnerungen rasten durch ihren Kopf. Sie sah, wie er sie lehrte, das Zahneisen zu halten, den Knüpfel einzusetzen. Sie sah sein Lächeln, wenn er stolz eine Arbeit gehauen hatte, wie er mit Claas Scherze machte oder sie lobte, wenn sie etwas gut gemacht hatte. Nun ruhte sein Kopf leblos auf dem rot gefärbten Kissen, sein Atem war verstummt. Nie mehr würde er sie in den Arm nehmen, nie mehr würde sie sein Lachen hören, seine Stimme, das Hämmern aus der Werkstatt. Die Erkenntnis traf sie hart. Schwankend suchte sie Halt, und Claas stützte sie.
    Der Priester beugte sich über ihren Vater, schüttelte stumm den Kopf und malte mit den Händen ein Kreuz in die Luft. »Ego te absolvo a peccatis tuis in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti«, sprach der Priester, und die Anwesenden bekreuzigten sich.

2
    Die ersten Tage nach dem Tod des Vaters vergingen wie durch einen Nebel. Eine tiefe Leere hatte sich in Anna ausgebreitet, tötete jedes Gefühl, jedes Verlangen nach anderen Menschen. An Unterhaltungen nahm sie nur spärlich teil und zog sich zurück, wann immer sich die seltene Gelegenheit hierzu bot.
    Am Zustand ihrer Mutter wollte sich nichts ändern, und sie fand nicht, wie Anna hoffte, in die Wirklichkeit zurück. »Mein Mann schläft!«, sagte sie allen, die etwas anderes behaupteten, und verwehrte beinahe jedem den Zugang zur Kammer. Sie kochte, putzte und nähte, und wäre das Unglück nicht geschehen, so könnte man meinen, alles wäre normal mit ihr, aber das war es nicht. Manchmal, wenn Anna ihren Blick auffing, glaubte sie, eine stumme Verzweiflung darin zu sehen, doch diese verschwand so schnell wieder, wie sie gekommen war.
    Noch in der Nacht, als ihr Vater verstarb, waren ihr Onkel und ihre Tante mit den

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