Rolandsrache
war sie durchgeschwitzt, aber durch das Steinhauen bei ihrem Vater war sie harte Arbeit gewohnt.
Schon nach kurzer Zeit hielt ihre Mutter ein äußerst wohlgeformtes Stück in der Hand, welches nicht zerfiel oder wie Wasser durch ihre Hände floss. »Schau her, so sollte ein guter Brotteig aussehen.«
»Ich habe versucht –« Anna brach mitten im Satz ab und prustete los, als ihr Blick auf das Gesicht und die Haare ihrer Mutter fiel. Sie waren über und über mit Mehl verschmiert. Dieser Anblick war etwas Seltenes, denn die Mutter war immer darauf bedacht, ihr Aussehen in Ordnung zu halten.
»Was ist?« Verwundert runzelte Magda Olde die Stirn.
» Du hättest besser auch eine Haube aufgesetzt.«
Ihre Mutter schielte auf die mehlverschmierte Haarsträhne, die ihr auf der Stirn hing. Dann begann auch sie herzhaft zu lachen.
Es war so viel Teig da, dass sie drei Brotlaibe daraus formten. Die Mutter erlaubte ihr, einen davon später zu Claas zu bringen. Anna schob zwei Laibe in den Ziegelofen, aus dem ihr eine Welle heißer Luft entgegenkam. Dabei dachte sie an Claas, und schon begannen wieder die Schmetterlinge in ihrem Bauch zu kreisen.
Ein energisches Klopfen unterbrach ihre Gedanken. Es war noch sehr früh, die Sonne stand gerade über den Bäumen, also konnte es nicht ihr Vater sein; außerdem würde er nicht klopfen. Vielleicht war es Claas, der für ihn etwas holen sollte?
Sie sah ihre Mutter fragend an, worauf diese nur mit den Schultern zuckte, sich die Hände an der Schürze abwischte und in die Diele verschwand. Ehe sie aufmachen konnte, pochte es bereits erneut. So unhöflich kannte sie Claas nicht – es musste jemand anderes sein. Aus den Schmetterlingen in ihrem Bauch wurde ein beklemmendes Gefühl in der Brustgegend. Sie hörte, wie ihre Mutter öffnete, gleich darauf stieß diese einen Schrei aus, wodurch Anna beinahe der Brotteig aus der Hand gerutscht wäre. Jemand redete sehr hastig, und sie verstand nicht viel, nur das Wort »Überfall« hörte sie deutlich heraus. Schnell legte sie die Masse in die tönerne Form und war mit einem Satz in der Diele.
Ihre Mutter ließ gerade zwei Männer herein, die jemanden auf einer Trage ins Haus brachten, und Anna stockte der Atem. Zuerst konnte sie nicht genau erkennen, wer darauf lag, doch dann sah sie die blutdurchtränkten Beinkleider und das Hemd ihres Vaters und schließlich ihn selbst. Sein Gesicht war blutverschmiert, die Augen hielt er geschlossen.
»Vater«, keuchte sie. Nackte Angst kroch ihren Hals empor und legte sich wie ein Stein auf ihre Brust. Ihr Herz hämmerte laut dagegen. Was war denn nur geschehen? Waren die schweren Steinblöcke in der Werkstatt auf ihn gestürzt? Nein! Sie hatte es doch eben deutlich gehört.
Ihre Mutter eilte voraus in das obere Stockwerk, und die Männer, die sie jetzt als die Nachbarn Wegener und Meyer erkannte, folgten ihr ins elterliche Schlafzimmer. Gerade, als Anna ebenfalls hinaufstürmen wollte, kam eine weitere Person ins Haus und schnitt ihr den Weg ab. Es war Claas. Ein erschrockener Ausdruck trat auf sein Gesicht, als er Anna sah, und er senkte den Kopf. Flüchtig nahm sie wahr, dass auch er aus einer Wunde über dem Auge blutete und sein rechter Arm seltsam schlaff herunterhing.
»Ich habe bereits nach dem Bader und der Kräuterfrau geschickt«, sagte Wegener mit ernster Miene, nachdem sie ihren Vater auf das Bett gelegt hatten.
»Vater.« Anna schob sich an Claas vorbei und war mit schnellen Schritten oben. Es quoll Blut aus mehreren großen Wunden an seinem Kopf und auch aus der Nase, die merkwürdig verschoben war. Er atmete rasselnd und stoßweise, seine Augen waren geschlossen, die Lider flatterten. Übelkeit stieg in ihr hoch.
»Heißes Wasser und saubere Tücher, schnell!«
Anna rannte in die Küche und holte, was ihre Mutter ihr aufgetragen hatte. In der Kammer begannen sie sofort, seine Wunden zu versorgen, doch der Blutstrom wollte nicht abreißen. Qualvoll stöhnte ihr Vater, und als er hustete, ergoss sich ein Schwall Blut auf das Laken.
Verzweifelt ließ Anna sich auf die Knie fallen und kämpfte gegen den Würgereiz an. »Vater, bitte sag doch was!« Doch er reagierte nicht. Flehend wandte sie sich an Claas, der im Türrahmen stehen geblieben war. »Was ist geschehen?«
Er holte tief Luft. »Sie haben uns vor der Werkstatt aufgelauert und gingen mit Knüppeln und Eisenstangen auf uns los. Es waren zu viele, ich konnte nichts tun, konnte ihn nicht schützen. Dein Vater ging
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