Rolf Torring 006 - Kapitaen Larrins Entlarvung
Gefährlichste für uns war, daß wir uns in der engen Malakkastraße befanden. Wenn an ein Steuern nicht mehr zu denken war, konnten wir leicht an eine der rissigen Küsten geworfen werden oder mit einem anderen Schiff zusammenstoßen. Und weiter unten bei Singapore, etwa sechshundert Kilometer entfernt, mußten wir durch den Riouw- und Lingga-Archipel mit den vielen kleinen, zerstreut liegenden Inselgruppen. Der Sturm trieb uns gerade darauf zu, und bei der enormen Geschwindigkeit, mit der wir vorwärts gerissen wurden, konnten wir dort sein, ehe sich das Unwetter gelegt hatte. Das Schiff ächzte, stampfte und tanzte auf den haushohen Wellenbergen. Es schien jeden Augenblick aus den Fugen springen zu wollen, und ich dachte nur noch daran, wie
lange es dann noch mit uns dauern würde, bis alles aus war.
Schließlich wurde ich ganz stumpfsinnig und tat nur mechanisch meine Arbeit, rückte den Gashebel zurück, wenn die Schraube in der Luft wirbelte, und gab wieder Vollgas, wenn sie Widerstand fand. Stunden stand ich so schon ganz benommen von dem monotonen Geräusch des Motors, obgleich dieser oft einen Lärm verursachte, daß einem Hören und Sehen vergehen konnte. Da wurde plötzlich die Tür zum Maschinenraum aufgerissen. Mühsam kämpfte sich eine hohe Gestalt zu mir heran. Es war Pongo, der sich mit der einen Hand am Tank festklammerte und mir mit der anderen eine Konservenbüchse hinhielt. „Masser essen!" brüllte er.
Der gute Schwarze hatte es tatsächlich fertiggebracht, auf der elektrischen Herdplatte Konserven zu wärmen. Er hatte auch Rolf und den Kapitän schon versorgt, wie er mir erzählte.
Ich stärkte mich schnell. Die kräftige Brühe tat mir unendlich gut und gab mir neuen Mut. Ich blickte auf die Uhr. Acht Stunden waren schon nach dem Ausbruch des Unwetters vergangen, und während dieser Zeit hatte ich auf meinem Posten ausgeharrt. Wie mochte es Rolf und dem Kapitän auf der Brücke ergangen sein? Ein Gedanke schreckte mich auf. Bei unserer hohen Geschwindigkeit mußten wir ja schon im Gewirr der Inselgruppen sein, und da inzwischen die Nacht hereingebrochen war, konnte es leicht geschehen, daß unser Schiff auf einer Klippe auflief und zertrümmert wurde.
Ich hatte kaum diesen Gedanken gedacht, als sich der Schoner plötzlich auf die Seite neigte. Es war, als hätte ihn eine gewaltige Riesenhand einfach aufs Wasser gedrückt. Ich flog auf Pongo und mit ihm zusammen in einen Winkel des Raumes. Jetzt war sicher das Ende gekommen. Der Sturm hatte plötzlich seine Richtung geändert und brauste nun nach Norden. Und wenn sich das Schiff wirklich wieder aufrichten sollte, dann würden wir an die Küste der Malakka-Halbinsel geworfen werden, wenn - wir nicht bereits Singapore passiert hatten, was ich mir aber nicht denken konnte. Und tatsächlich richtete sich der Schoner dank der Kunstfertigkeit des Kapitäns Larrin wieder auf und machte eine scharfe Linksschwenkung. Ich taumelte wieder zum Motor, um erneut wieder den Gashebel zu bedienen. In der nächsten halben Stunde mußte es sich entscheiden, ob wir gegen die Küste geschleudert oder an den Anambas-Inseln vorbei ins Südchinesische Meer getrieben wurden. Als Pongo den Maschinenraum verlassen hatte, harrte ich in fieberhafter Erregung auf meinem Posten aus. Es war ein Glück, daß die kleine elektrische Lampe, die ihren Strom von einer am Motor angeschlossenen Lichtmaschine erhielt, durch die gewaltigen Stöße noch nicht zersprungen war.
Zwanzig Minuten - fünfundzwanzig Minuten - dreißig Minuten. Ich zählte eifrig. Immer noch wurden wir mit unheimlicher Geschwindigkeit vorwärtsgetrieben. Der Sturm schien noch an Kraft zugenommen zu haben, denn der Eisenleib des kleinen Schoners erzitterte immer mehr unter den mächtigen Stößen der anprallenden Wellen.
Jetzt konnte es meiner Ansicht nach nur noch Sekunden dauern, bis sich unser Schicksal entschieden hatte. Es waren furchtbare Augenblicke für mich, in denen ich förmlich den zerschmetternden Anprall erwartete. Aber - wir hatten Glück, unbeschreibliches Glück. Singapore lag bereits hinter uns, und wir trieben nun dem Südchinesischen Meer zu. Zwar drohte jetzt noch das Gewirr der Anambas-Inseln, aber ich gewann immer mehr die Hoffnung, daß auch diese gefährlichen Eilande unsere Sturmfahrt nicht aufhalten und ihr ein plötzliches Ende setzen würden.
Wieder vergingen zwei Stunden. Ich konnte mich kaum mehr aufrecht halten, denn die heiße, stickige Luft im Maschinenraum erhöhte
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