Rolf Torring 008 - Das Auge Buddhas
kommt", raunte uns Pongo zu, als wir ihn erreichten. „Mann aus Gegend wie Massers kommt." Er zeigte den Pfad zurück, über den wir gekommen waren.
Die Tiere des Waldes vollführten noch immer einen Heidenlärm, so daß wir nichts Genaues hören konnten. Pongo jedoch behauptete nach einer Weile, daß der Mann schon viel näher gekommen sei und uns nun bald erreicht haben müsse.
„Massers schnell auf Baum klettern", riet er uns, auf einen am Wege stehenden Baum weisend. „Massers schnell machen müssen."
Er stellte sich am Baum auf, um uns beim Klettern behilflich zu sein. Rolf und ich überlegten auch nicht lange. In die dichten Büsche konnten wir nicht eindringen, dabei hätten wir unsere Kleidung zerrissen. Darum ließen wir uns von Pongo hochheben, ergriffen die untersten Äste des Baumes und schwangen uns hinauf. Dann turnten wir schnell höher, bis uns das Laub völlig verdeckte. Pongo war uns geschickt gefolgt. Er bog einige Zweige fort, so daß wir den Pfad, den wir gekommen waren, gut übersehen konnten. Noch einige Minuten vergingen, dann tauchte bei einer Krümmung des Pfades ein seltsames Paar auf.
Ein alter Inder, mit einem langen weißen Gewand bekleidet, schritt langsam den Pfad herauf. An seiner Seite mit einer Leine verbunden, trottete ein ausgewachsener großer Tiger.
Tastend bewegte sich der Inder vorwärts.
„Er ist blind", flüsterte Rolf mir zu, „der Tiger scheint ihn zu führen."
Diesen Eindruck erweckte das Paar auch auf mich. Voller Spannung beobachtete ich das Näherkommen des Inders. Eine Mutmaßung stieg in mir auf: Dieser Priester gehörte wahrscheinlich in den Dschungeltempel. Langsam mit müden, kurzen Schritten ging der Mann an der Seite des Tigers unter unserem Baum vorüber. Ich hegte schon die Befürchtung, daß uns die Raubkatze wittern werde, aber das war zum Glück nicht der Fall. Der Tiger lief immer etwas voraus, bis sich der kurze Strick, den der Inder in der Hand hielt, straffte. Dann blieb er einige Sekunden stehen und wartete, bis sein Herr ihn erreicht hatte.
Bald waren beide um die nächste Krümmung verschwunden.
„Fatal", meinte Rolf leise. „Der Tiger wird uns verraten, wenn wir ungesehen in den Tempel eindringen wollen. Damit haben wir nicht gerechnet."
„Wir haben ja unsere Gewehre und Pistolen bei uns, Rolf", erklärte ich. „Werden wir von dem Tier angegriffen, müssen wir eben von unseren Waffen Gebrauch machen."
„Was ich jedoch vermeiden möchte, lieber Hans. Der Tiger ist sehr wahrscheinlich von dem Priester großgezogen worden und dient ihm nun wie ein Hund. Es wäre schade um das Tier."
„Es geht hier um Barrington, Rolf, wir müssen unter allen Umständen versuchen, ihn zu befreien." „Noch wissen wir ja gar nicht, ob er überhaupt hierher verschleppt wurde, lieber Hans. Wir haben das ,Auge Buddhas' mit dem Dschungeltempel nur in Verbindung gebracht, weil Baika uns diesen Tempel nannte. Wir wollen vorerst einmal feststellen, ob sich Barrington überhaupt hier befindet."
Nach etwa einer Viertelstunde verließen wir den Baum wieder. Pongo schlich uns abermals voraus. Wir konnten uns auf ihn verlassen, wir wußten, daß er uns rechtzeitig warnen würde, wenn uns eine Gefahr drohte. Der Pfad lief in vielen Krümmungen dahin. Er führte oft um vom Sturm gefällte Urwaldriesen herum. Der Boden wurde wieder etwas fester, so daß wir nun ganz gut vorwärts kamen.
Plötzlich zuckten wir zusammen. Ganz in unserer Nähe war das Brüllen eines Tigers erklungen. Im Nu hatten wir unsere Büchsen zur Hand und machten sie schußfertig.
Pongo hob jedoch die Hand zum Zeichen, daß wir keine Überraschungen zu erwarten hätten.
„Zahmer Tiger gewesen ist, Massers", sagte er leise zu uns. „Dschungeltempel in der Nähe ist."
Jetzt wurden wir noch vorsichtiger. Pongo mußte nun stets bis zur nächsten Krümmung des Pfades vorausgehen, und wir folgten erst, wenn er uns ein Zeichen gab, daß die Luft rein war.
Zwei solcher Pfadkrümmungen hatten wir schon passiert, als Pongo uns kundtat, daß wir am Ziel unseres Marsches angelangt waren. Vor ihm lag auf einer Lichtung des Urwaldes, zwischen hohen Bäumen und dichten Büschen versteckt, der Dchsungeltempel.
Es war nur ein kleines Gemäuer, das mehr wie eine Ruine aussah. Das Dach war stellenweise schon eingefallen. Der Tempel machte einen verlassenen Eindruck auf uns. Nie hätten wir geglaubt, daß sich hier noch Menschen aufhielten, fanatische Menschen, die in aller Heimlichkeit ihrer Gottheit
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