Reise nach Ixtlan.
Mit der „Reise nach Ixtlan" beendete der amerikanische Anthropologe Carlos Castaneda — er starb 1998 — den ungewöhnlichen Bericht über seine zehnjährige Lehrzeit bei dem indianischen Medizinmann und Zauberer Don Juan Matus, der ihn in eine Welt jenseits von Rationalität und Realität unserer westlichen Zivilisation führte. Während im Mittelpunkt der ersten beiden Zyklen seiner Unterweisungen „Die Lehren des Don Juan" und „Eine andere Wirklichkeit" noch die Versuche standen, unter der Anleitung seines alten Schamanen und Freundes die geheimnisvolle Welt der Yaqui-Zauberer mit Hilfe psychotroper Pflanzen zu ergründen, um ein »Mann des Wissens« zu werden, so sind es jetzt seine Bemühungen, in jene neuen Wirklichkeits- und Bewusstseinsebenen der »Anderen Realität« ohne jegliche Hilfsmittel vorzudringen. Er lernt den faszinierenden und mühsamen Weg eines »Mannes der Macht« zu gehen, wobei »Macht« nicht Macht über andere Menschen bedeutet, sondern »Kraft« oder »Energie«. Er lernt die Welt zu »sehen«, d. h. zu erfahren, nicht nur zu schauen, und er lernt schließlich die größte Kunst eines brujos — »die Welt anzuhalten«. »Seine Geschichte«, so schreibt die New York Times, »entfaltet sich mit einer für Anthropologen einmaligen erzählerischen Kraft. Ihr Schauplatz - von den glitzernden Lavamassen der mexikanischen Wüste bis hin zum kargen Interieur der baufälligen Hütte Don Juans -gewinnt Wirklichkeit. Es ist eine genauso detailliert ausgefeilte Welt wie etwa Faulkners Yoknapatawpha County. Castaneda versteht es, seine Leser unmittelbar teilnehmen zu lassen - der Druck mysteriöser Winde und das Erzittern der Blätter in der Dämmerung, der Jäger eigenartige Wachsamkeit gegenüber Gerüchen und Geräuschen, die Kargheit indianischen Lebens, das herbe Aroma des Tequilas und der ekelhaft faserige Geschmack von Peyote, das alles wird lebendig. Es ist ein herrlich gegenständlicher Rahmen, und das trotz aller gespenstischer Unheimlichkeit der Ereignisse, die sich darin abspielen.«
Carlos Castaneda
Reise nach Ixtlan
Die Lehre des Don Juan
Aus dem Amerikanischen von Thomas Lindquist
Taschenbuch Verlag Fischer
26. Auflage: Januar 2001
Ungekürzte Ausgabe
Veröffentlicht im Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main, November 1976
Lizenzausgabe mit Genehmigung des S. Fischer Verlags GmbH, Frankfurt am Main
Die amerikanische Originalausgabe erschien 1972
mit dem Titel „Journey to Ixtlan" im Verlag Simon and Schuster, New York
© Carlos Castaneda 1972
Für die deutsche Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1975
Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany
ISBN 3-596-21809-8
Einleitung
Am Samstag, dem 22. Mai 1971, fuhr ich nach Sonora, Mexiko, um Don Juan Matus zu besuchen, einen Yaqui-Indianer und Zauberer, den ich seit 1961 kannte. Ich glaubte, daß mein Besuch an diesem Tag sich in nichts von den unzähligen Malen unterscheiden würde, die ich ihn in den zehn Jahren, seit ich sein Lehrling geworden war, besucht hatte. Die Ereignisse, die sich an diesem und den folgenden Tagen zutrugen, waren für mich jedoch folgenschwer. Bei dieser Gelegenheit endete meine Lehrzeit. Es war kein willkürlicher Rückzug meinerseits, sondern ein Auseinandergehen im guten.
Die Fallgeschichte meiner Lehrzeit habe ich bereits in zwei Büchern dargestellt: The Teachings of Don Juan und A Separate Reality. 1
In beiden Büchern ging ich von der Grundannahme aus, daß es, wenn man lernte, ein Zauberer zu sein, hauptsächlich auf die durch Einnahme psychotroper Pflanzen hervorgerufenen Zustände einer anderen Realität ankäme.
Was dies betraf, so war Don Juan ein Experte im Gebrauch dreier solcher Pflanzen: Datura inoxia, allgemein bekannt als Stechapfel; Lophophora williamsii, bekannt als Peyote; und ein halluzinogener Pilz der Gattung Psilocybe.
Meine durch diese Psychotropica bewirkte Wahrnehmung der Welt war so bizarr und eindrucksvoll gewesen, daß ich annehmen mußte, solche Zustände seien der einzige Weg zum Verständnis und Erlernen dessen, was Don Juan mich zu lehren versuchte. Diese Annahme war falsch.
Um Mißverständnissen über meine Arbeit mit Don Juan vorzubeugen, möchte ich an dieser Stelle folgende Fragen klären. Bisher habe ich noch keinen Versuch gemacht, Don Juan einem bestimmten kulturellen Milieu zuzuordnen. Die Tatsache, daß er sich selbst als Yaqui-Indianer ansieht, bedeutet nicht, daß das, was er
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