Rolf Torring 010 - Die Feuer-Priester
Dingen, wo sie Frau Ellen unterbringen werden, die doch jetzt auch ohne Gedächtnis ist."
Nach lebhaftem Wortwechsel mit der Tänzerin berichtete Hoddge:
„Nach dem Mittagsdienst suchen die Priester ihre Zellen auf. Gefangene werden stets in den Kelleräumen oder in den unangenehmen Zellen im Tempelhof aufbewahrt, die wir ja zur Genüge kennen. Aber Frau Ellen rechnet jetzt nicht mehr als Gefangene, da sie ja ihr Gedächtnis verloren hat. Sie wird die Zelle neben Ihrem Gatten bekommen, weil er - sozusagen — ihr Entdecker ist. Also das Ehepaar wird immer dicht beisammen sein." „Das ist großartig", rief Rolf, „dann muß ich jetzt unbedingt auf die Mauer."
„Herrgott", stöhnte Hoddge, „was wollen Sie denn machen? Wir können doch absolut nichts vor Sonnenuntergang unternehmen."
„Da irren Sie sich", rief Rolf lachend, „ich muß gerade jetzt sehen, daß ich unseren Erfolg entscheide. Bleibt ruhig unten und wartet auf mich, ich habe jetzt den richtigen Weg gefunden. Pongo, du mußt aber unbedingt für Essen sorgen."
Während der Schwarze nickte, schwang sich Rolf gewandt an den Vorsprüngen der hohen Mauer empor und war bald unseren Blicken entschwunden. Doch schon nach wenigen Sekunden erschien er wieder und rief Pongo, der gerade im nächsten Gebüsch verschwinden wollte. „Pongo, es kommen zwei Wächter auf der Mauer. Du mußt sie leise erledigen. Aber nicht töten, denn wir können sie vielleicht als Geiseln gebrauchen. Komm schnell." Wenige Schritte neben uns streckte ein mächtiger Warringbaum seine Äste über die Mauer und hinderte uns, die Kameraden zu sehen. Aber ebenso waren wir auch vor ihren Blicken geschützt.
Rolf und Pongo, der sich geschmeidig auf die Mauer geschwungen hatte, verschwanden in den Blättern dieser Zweige, und wir warteten atemlos auf den Ausgang des Zusammenstoßes. Wenn die Wächter auch nur einen Schrei ausstießen, war der Erfolg unseres Unternehmens völlig in Frage gestellt.
Ein leises Rascheln klang jetzt in den Zweigen auf, nicht stärker, als versuche jemand sich hindurchzudrängen. Aber dann erschien schon Pongo und trug einen reglosen Feuer-Priester. Und hinter ihm tauchte Rolf mit dem anderen auf. Vorsichtig ließen sie die Bewußtlosen zu uns herab und kletterten schnell hinunter. „So", meinte Rolf vergnügt, „jetzt wollen wir die Herren fesseln und knebeln. Aber zuerst müssen wir ihnen die schönen, gelben Gewänder ausziehen, denn ich brauche sie ganz dringend."
„Was?" staunte ich, „du gebrauchst die gelben Gewänder? Ja, wozu nur, wenn ich fragen darf?" „Für uns beide", lachte er vergnügt. „Ja, Heber Hans, wir streifen uns die Gewänder über und nehmen die Stelle der beiden Wächter oben auf der Mauer ein. Dann können wir unauffällig die ganze Situation überblicken und endgültig einen Plan fassen."
„Ja, da hast du allerdings recht", gab ich zu, „das ist eine sehr gute Idee. Und wie ich sehe, haben die beiden Priester ungefähr unsere Größe. Und die Gewänder sind lang und weit genug, um unsere Anzüge darunter zu verbergen." Wir hatten die Bewußtlosen inzwischen entkleidet, Pongo fesselte und knebelte sie jetzt peinlich genau, und wir zogen die mantelartigen Kattungewänder an. Auch ihre gelben Kopftücher mußten wir anlegen, trotzdem es nicht sehr angenehm war, denn ich hielt nicht viel von der Kopfpflege dieser Fanatiker.
„Gut", meinte Rolf, „wir werden nicht auffallen. Vor allen Dingen wird der Oberpriester kaum ahnen, daß wir schon wieder hier sind. Komm, wir wollen hinaufklettern." Auf der Mauer blieben wir erst stehen und blickten spähend umher. Wir befanden uns dicht hinter dem mächtigen Feuerturm, doch gingen zum Glück keine Fensteröffnungen nach dieser Seite heraus. Und in dem schmalen Hofstreifen, der die Mauer vom Turm trennte, befand sich niemand.
„Großartig", flüsterte mein Freund, „jetzt gehen wir hier links entlang, dann müssen wir bald in den großen Tempelhof blicken können. Hörst du den leisen Gesang? Sicher sind sie noch beim Umzug, und jetzt kommt es darauf an, wo die beiden Valentinis marschieren. Leider fürchte ich, daß sie sich vorn im Zug befinden werden. Komm langsam vor."
Bald sahen wir den weiten Tempelhof. Der weiße Elefant war vom Baum befreit und wohl in seinen Stall gebracht worden. Langsam zogen die Priester — wohl fünfzig an der Zahl - um den Hof herum. Zu zwei und zwei gingen sie, und die beiden Valentinis schritten als erste hinter dem Oberpriester, der den Zug
Weitere Kostenlose Bücher