Tod auf Bestellung
1
Ein Motorroller knatterte durch die Vorortsiedlung in Richmond, Virginia, vorbei an den gepflegten Vorgärten und den Holzfassaden von Flachdach-Bungalows. Der letzte Schimmer der Abendsonne waberte noch über dem Horizont, bereits überstrahlt vom Licht hinter den Fenstern und dem gelben Schein der Straßenlaternen.
Der Pizzabote stellte seinen Roller vor einem Garten ab, der verwilderter war als die Gärten der benachbarten Häuser. Nachlässig geschnittene Hecken wucherten auf dem ungepflegten Rasen. Der Bote nahm eine Thermobox vom Gepäckträger, legte eine grellrote Tasche darauf ab und balancierte den Stapel auf das Haus zu. Es war eine große Bestellung, und der schlanke Mann hatte schwer daran zu tragen.
Er klemmte seinen Packen zwischen Oberkörper und Hauswand, damit er ihn nicht abstellen musste, und drückte auf die Klingel. Nichts rührte sich. Er klingelte noch einmal.
Endlich ging in dem kleinen Fenster neben der Tür das Licht an. Ein hagerer Mann öffnete. Er war unrasiert, trug nur ein T-Shirt und eine dunkelblaue Jogginghose. Er starrte auf den Lieferanten, auf dessen rote Braincap und die altmodische Fliegerbrille. Der Anblick war bizarr genug, dass der Hausbesitzer verwirrt blinzelte.
»Ihre Pizza!« Der Pizzabote strahlte und streckte seinem Kunden die Thermobox entgegen.
Der Mann musterte ihn. »Hab nichts bestellt.« Er wollte die Tür wieder schließen.
Das Lächeln des Pizzaboten erlosch. Er balancierte die schwere Box auf einem hochgezogenen Knie und nestelte mit der freien Hand an der grellen Polyestertasche herum.
»Augenblick!«, rief er. »Sie sind doch Mr Jason Clegg?«
Clegg hielt inne. »Ja«, sagte er. »Hab trotzdem nichts bestellt.«
Der Pizzabote zog etwas aus der Tasche. Es sah aus wie eine Pistole, aber es war etwas viel Moderneres, wenn auch fast ebenso gefährlich. Ein Taser.
Er schoss sofort. Die Nadeln der Elektroden tackerten Cleggs labberiges Shirt an der Brust fest. Es knisterte. Clegg verkrampfte sich. Einen Augenblick lang stand er steif wie ein Brett.
Der Pizzabote trat durch die Tür und stieß Clegg mit der Thermobox zurück. Der Hausbesitzer krachte schwer auf den Rücken. Der Aufprall trieb ihm die Luft aus der Lunge. Mit einer geschmeidigen Bewegung stellte der Bote die Box neben Clegg auf dem Boden ab, drehte sich um und drückte die Haustür zu. Dann widmete er sich seinem Opfer.
Er klappte die Thermobox auf. Ein Bohrer, eine kleine Elektrokreissäge, ein paar Tüten und Schachteln und eine Ledertasche kamen zum Vorschein. Der Pizzabote zog ein mit Alkohol getränktes Tuch aus einer Tüte und öffnete eine der kleinen Schachteln. Eine vorbereitete Spritze mit Glaskolben lag darin.
Clegg kämpfte gegen seine zitternden und zuckenden Muskeln an. Er kam halb hoch. »Was …?«, presste er mühsam hervor.
Der Pizzabote drückte mit der linken Hand Cleggs Kinn zurück, strich mit dem Desinfektionstuch über die Haut seines Opfers und ließ das Tuch dann achtlos fallen. Mit dem Finger schnippte er die Schutzkappe von der Nadel und setzte Clegg die Spritze genau in die Halsschlagader, wobei er ihn mit einer Hand am Boden hielt. Clegg wehrte sich schwach, jedoch nur wenige Sekunden lang, dann lag er schlaff und kraftlos da und starrte apathisch ins Leere.
Der Pizzabote summte leise vor sich hin und packte den Inhalt seiner Isobox aus. Er stülpte seinem Opfer eine Haube über, die aus Drahtgeflecht bestand und sich am Kopf festschrauben ließ. Mit kleinen Schnitten an der Kopfhaut legte er den Schädelknochen frei, genau dort, wo feine Rohre an der Haube gegen den Kopf stießen.
Er summte lauter, als sein Bohrer sich durch den Knochen fraß.
2
Im Hauptquartier des G-Teams herrschte eine gedämpfte Atmosphäre. Draußen tauchte ein sonniger Frühsommertag die Straßen von New York in Licht und Wärme. Die fensterlose, unterirdische Zentrale hingegen war vom immer gleichen Dämmer der Monitore und Neonröhren erfüllt. Die Klimaanlage kämpfte gegen die Abwärme der Technik an und machte die Luft kühl und stickig zugleich. Es war ruhig in dem großen Raum bis auf das Summen der Computer und gelegentliche, geflüsterte Gespräche der Mitarbeiter.
Special Agent Jeremiah Cotton saß vor seinem Rechner, pfiff »You got it« von Roy Orbison und hackte mit vier Fingern vernehmlich auf den Tasten herum.
Decker trat neben ihn. Sie stützte sich herausfordernd auf seinem Schreibtisch ab. »So gut gelaunt, Cotton? Beim Berichteschreiben? Ich dachte, Sie
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