Rolf Torring 010 - Die Feuer-Priester
festlich erleuchtet, und die Gitter werden hochgezogen. Das Übrige soll der brave Elefant besorgen." „Na, ich meine, Pongo wird das Übrige besorgen", sagte Rolf fest. „Und Sie, gnädige Frau, müssen keine Angst haben, sondern sich an dem Gedanken aufrecht halten, daß wir Ihren Gemahl sicher freibekommen und auch aus seiner geistigen Umnachtung erwecken werden." „Ich bin jetzt auch zuversichtlich", gab Frau Ellen frisch zurück, „ich hoffe und verlasse mich auf Ihren Pongo, diesen wunderbaren Menschen. Ich glaube, daß er das Unmögliche zustande bringt."
„Ja, diesen Glauben kann ich nur bestärken", sagte Rolf, „was haben wir schon mit ihm erlebt." Und er erzählte unsere Abenteuer im Urwald Sumatras, als wir Pongo kennenlernten. So verging die Zeit sehr rasch, und Frau Ellen stieß einen Laut des Unwillens aus, als plötzlich — es war schon Nachmittag geworden — die Priester wieder erschienen und uns wunderbare Früchte brachten, die Hunger und Durst stillten. Durch dieses Labsal waren wir sehr erfrischt, trotzdem in unseren Zellen eine wahre Höllentemperatur herrschte. Und wir konnten es kaum erwarten, bis die Dunkelheit und mit ihr die Entscheidung käme. Aber endlich verstrich auch diese Zeit, und plötzlich verschwand die Sonne. Unser unerbittlicher Wächter, der jetzt die Henkersdienste übernehmen sollte, stand noch immer unter dem riesigen Baum, in dessen Krone Pongo saß.
Eine Stunde hatten wir jetzt noch Zeit — dann würden die schützenden Schranken fallen. Und dann waren wir verloren — wenn Pongo nicht einen Rettungsweg wußte. Ich muß gestehen, daß mir jetzt doch Gedanken durch den Kopf gingen, die keineswegs zuversichtlich waren. Was sollte Pongo nur unternehmen, um uns eine Möglichkeit zur Flucht zu bieten? Höchstens den Versuch, der aber für einen einzelnen Menschen gleichbedeutend mit Selbstmord war, nämlich, wenn er, wie die afrikanischen Schwertträger, versuchen würde, dem Riesen die Achilles-Sehne am Hinterfuß mit seinem Haimesser zu zertrennen. Dann konnten wir ungefährdet den Tempelhof passieren und eiligst über die Mauer verschwinden. Aber selbst wenn es auch Pongo war, der den verzweifelten Versuch wagen wollte, so war er doch ziemlich aussichtslos. Denn zu dieser Art Jagd gehören wenigstens vier bis sechs Jäger, von denen der eine stets die Aufmerksamkeit des Elefanten auf sich ziehen muß, bis es einem anderen gelingt, den entscheidenden Schlag mit dem scharfen Schwert zu führen.
Plötzlich zuckte ich erschreckt zusammen. Da raschelte es leise an meinem Zellengitter, und dann flüsterte - Pongos Stimme:
„Masser, schnell Waffen nehmen."
Er lag tatsächlich dicht an das starke Gitter geschmiegt und schob mir meine Waffen und einen Teil meines sonstigen Tascheninhaltes zu. Es waren sicher nicht alles meine Sachen, aber wir konnten ja untereinander austauschen — wenn wir erst in Sicherheit wären.
Endlich erholte ich mich von meinem Erstaunen und flüsterte:
„Pongo, nimm dich vor dem Elefanten in acht. Was willst du tun, wenn die Gitter hochgezogen werden?" „Pongo nichts tun", war die rätselhafte Antwort, „Pongo schon getan haben. Wenn Gitter offen, Massers schnell nach Mauer laufen. Großen Baum hochklettern. Pongo weiter helfen."
Damit schob er sich geräuschlos zur nächsten Zelle. Ich merkte es erst an Rolfs leisem, erfreutem Ausruf. Wenn mir Pongos Worte auch unklar geblieben waren, so blickte ich jetzt doch viel zuversichtlicher dem Augenblick entgegen, da wir dem weißen Ungetüm überliefert werden sollten, denn jetzt hatten wir unsere Parabellum wieder, und schließlich, wenn Pongo sagte, wir sollten sofort zur Mauer laufen, dann hatte er auch sicher schon einen Weg, um den weißen Riesen aufzuhalten.
Rolf hatte wohl recht vermutet, daß er sich mit irgendeinem Kraut eingerieben hatte, um dem Elefanten jede Witterung zu nehmen. Und der riesige Dickhäuter mußte wohl noch immer schlafen, sonst hätte er unbedingt merken müssen, daß Pongo herab geklettert war. Ich konnte ja nicht ahnen, was für ein tollkühnes, fast unglaubliches Stück Pongo da geleistet hatte.
Aber lange Zeit zum Überlegen hatte ich nicht mehr, denn plötzlich flammte über uns auf der Spitze des Turmes das helle Feuer, das Wahrzeichen der Priester auf. Der helle Schein fiel auch teilweise über den Tempelhof. Und da sah ich unseren schwarzen Freund wie einen Spuk zum Baum gleiten, in dessen Schatten er verschwand. Und der weiße Elefant rührte sich
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