Rolf Torring 016 - Die Woelfe der Tarai
Geschichte mit dem Tiger.
„Donnerwetter, dann hätten Sie doch entfliehen und Hilfe holen können," rief der Offizier aufgeregt.
„Nein, dann wären Sie alle hier in größter Lebensgefahr gewesen. Und Sie können beruhigt sein, lange wird Ihre Gefangenschaft nicht mehr dauern. In einigen Tagen wird es soweit sein."
,Na, da bin ich neugierig," lachte der junge Mann, „aber ich habe es mir überlegt, Sie haben recht, wenn Sie sagen, daß wir bei der Flucht eines Gefangenen in Lebensgefahr sind. Der alte, fanatische Rukoo würde uns schleunigst beseitigen."
„Ah, da hinten scheint Thassa zu kommen," rief jetzt Rolf, „wir wollen ihm schleunigst die Sache melden. Auf Wiedersehen."
Der Offizier winkte uns nach. Als Thassa uns ohne Hunde kommen sah, beschleunigte er seine Schritte ganz bedeutend.
„Was ist geschehen, meine Herren?" rief er aufgeregt; "wo sind die Hunde?"
Rolf schauspielerte ganz vorzüglich. Er wischte sich aufatmend die Stirn und sagte wie verstört:
„Es war schrecklich. Wir können froh sein, daß wir mit dem Leben davongekommen sind. Denken Sie nur, da muß uns ein Tiger beschlichen haben. Und er muß nur wenige Schritte entfernt gewesen sein. Die Hunde rasten plötzlich ins Dickicht, und wir hörten, daß sie ein großes Tier in den Wald hineinjagten. Wir warteten einige Zeit, als sie aber nicht zurückkamen, nahmen wir an, daß der Tiger sie getötet hätte. Und da sind wir schnell zurückgekommen."
Thassa blickte und scharf an. Als ich aber auch überzeugend nickte, fragte er plötzlich:
„Weshalb sind Sie denn nicht entflohen?"
„Was sollen wir mit einer Axt gegen einen Tiger ausrichten?" rief Rolf wie empört über solche Zumutung. „Und Sie hätten uns ja doch die Hunde nachgeschickt"
„Das ist allerdings richtig," sagte der Inder langsam, „aber ich hielt Sie für tapferer."
„Nun, überlegt haben wir uns die Flucht auch," sagte Rolf in beleidigtem Ton, „das sage ich ganz offen. Aber wenn wir entkommen wären, hätten Sie vielleicht die ganzen Gefangenen getötet, da Sie annehmen konnten, daß wir Truppen hierherschicken würden. Das haben wir befürchtet und sind lieber hiergeblieben."
„Sie sind sehr aufrichtig," lächelte Thassa, „und ich will auch offen sagen, daß wir es sicher getan hätten. Auf ein Kommando fallen alle Hunde über die Gefangenen her. Kommen Sie jetzt ins Lager zurück, es ist bald Essenszeit. Am Nachmittag werde ich Sie mit neuen Hunden an Ihre Arbeitsstätte zurückbringen. Ich muß die Sache untersuchen, denn das ist noch nie passiert. Wehe, wenn ich etwas anderes finde."
Der Blick, mit dem Thassa diese Drohung begleitete, verhieß uns wahrlich nichts Gutes, aber Rolf zuckte die Achseln und sagte trotzig:
„Wenn Sie uns nicht glauben wollen, kann ich Ihnen nicht helfen. Wir sind ja leider Gefangene und müssen uns diese Verdächtigung gefallen lassen."
„Ich werde Sie gern um Entschuldigung bitten, wenn ich finde, daß Ihre Erzählung stimmt," sagte Thassa lächelnd. "Bitte, wir wollen etwas schneller gehen, denn ich muß die Sache meinem Vater melden."
Unwillkürlich empfand ich ein Gefühl wie ungefähr ein Schüler, der vor den gestrengen Direktor treten soll. Denn der alte Rukoo hatte Augen, die bis auf den Grund der Seele zu dringen schienen. Ob er es nicht merken würde, daß wir die Unwahrheit sprachen? Dann riß ich mich aber zusammen.
Hier ging es um die Freiheit von über dreißig Menschen. Das war etwas Großes, und es hieß, die angefangene Rolle durchhalten.
Als wir vor der Tür des Alten warten mußten, raunt« Rolf:
„Bravo, Hans, du machst ein ganz unschuldiges, ehrliches Gesicht. Lasse den alten Rukoo nur gucken, wir müssen ihm über sein."
Da trat Rukoo schon heraus. Und wirklich war sein Blick so flammend, daß ich froh war, mir vorher diesen Mut zugesprochen zu haben. Mehrere Minuten mustert« er uns, dann fragte er streng:
„Also einem Tiger sind die Hunde nachgelaufen?"
„Ich vermute es wenigstens," gab Rolf offen zurück, „denn sie wären doch sicher zurückgekommen, wenn sie am Leben geblieben wären. Aber ich denke mir, daß der Tiger sie im Wald getötet hat"
„Weshalb sind Sie nicht entflohen?" wandte er sich an mich.
„Das haben wir Ihrem Sohn ja schon erklärt," sagte ich in beleidigtem Ton. "Wenn Sie uns nicht glauben, dann lassen Sie es. Sie können sich ja an Ort und Stelle überzeugen, ob wir die Wahrheit gesprochen haben."
„Es ist gut" nickte der Alte, „wir werden es tun."
Er
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