Rolf Torring 016 - Die Woelfe der Tarai
Selbstverständlich sagte ich stets, daß ich davon überzeugt sei.
Doch im Innern war ich gar nicht so siegessicher. Gewiß, wir beide, Rolf und ich, hätten bestimmt entfliehen können. Aber wir mußten unbedingt alle Gefangenen befreien. Und das war bei der Menge der intelligenten Hunde fast aussichtslos.
Auch Rolf wurde immer nachdenklicher. Gewiß, es waren nur ungefähr zwanzig Inder im Lager, denen wir Gefangene zahlenmäßig überlegen waren. Aber dafür waren mindestens achtzig Hunde vorhanden. Mit Gewalt war also nichts auszurichten, denn selbst bei einem eventuellen Überfall des Lagers mit Soldaten, an den ich dachte, würden die Bestien die Gefangenen längst zerrissen haben, ehe sie abgeschossen werden konnten.
Hier konnten wir also nur mit List etwas erreichen.
Aber so intensiv ich auch nachgrübelte, mir wollte kein Rettungsweg einfallen.
Wir teilten unseren Schlafraum mit vier anderen Herren. Es waren zwei Offiziere, ein Arzt und ein Zoologe. Mir fiel es auf, daß Rolf sich plötzlich erkundigte, von wem die Hunde ihr Futter erhielten. Und er rieb sich vergnügt die Hände, als der Arzt ihm erklärte, daß Thassa das Fressen austeilte, daß es aber von den Damen Stendrup gekocht würde.
Da ich wußte, daß eine Frage an ihn doch keinen Zweck hätte, warf ich ihm nur einen empörten Blick zu, den er lächelnd quittierte. Dann suchte ich mein Lager, das sich als sehr gut erwies, auf und war bald eingeschlafen.
Bald nach Tagesanbruch wurden wir geweckt. Im Eßraum gab es den Morgentee, dann erschien Thassa und verteilte die Tagesarbeit. Zu meiner großen Freude erklärte er, daß Rolf und ich kräftig genug erschienen, um bei der Ausrodung eines Waldstriches zu helfen. Dort würde sich für Pongo schon eine Gelegenheit ergeben, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Ein kleiner Raum neben der Küche diente als Werkzeuglager. Dort erhielten wir eine Axt und eine Säge, dann führte uns Thassa in nordwestlicher Richtung durch die Felder, auf denen verschiedene unserer Leidensgenossen bereits beschäftigt waren.
Ungefähr eine Stunde dauerte unser Weg, dann begann der Wald in seiner wilden Unberührtheit. Thassa deutete auf einen mächtigen Teakbaum.
„Bitte, meine Herren," sagte er sehr höflich, „mit dem Fällen dieses Baumes werden Sie bis zum Mittag zu tun haben. Dann nehmen Sie den nächsten Baum. Es wird eine Stunde vor Essenszeit ein Gongschlag ertönen, den Sie auch hier vernehmen werden. Dann kommen Sie sofort zurück. Diese vier Hunde hier bleiben zu Ihrer Bewachung. Ich warne Sie nochmals, einen Fluchtversuch zu machen. Denn selbst die Axt wird Ihnen gegen ihre Gebisse nichts nützen."
„Das sehen wir vollkommen ein," entgegnete Rolf zustimmend, „und wir sind vernünftig genug, einen aussichtslosen Versuch auf keinen Fall zu unternehmen."
„Das ist sehr recht von Ihnen," sagte Thassa erfreut. „Es würde uns sehr leid tun, wenn Sie die ersten Opfer werden sollten."
Er winkte uns freundlich zu und ging zum Lager zurück. Kaum war er unseren Blicken entschwunden, als ich Rolf fragte:
„Glaubst du, daß Pongo uns hier finden wird? Und wird es ihm möglich sein, sich mit uns trotz der vier Hunde in Verbindung zu setzen? Ich muß offen gestehen, daß ich jetzt keinen Ausweg sehe, die Gefangenen zu befreien. Uns persönlich wäre ja eine Flucht möglich, aber vielleicht verschlimmern wir dadurch die Lage der Zurückgebliebenen Ich halte es sogar für möglich, daß der alte, fanatische Inder sie einfach töten läßt."
„Ja, wenn wir es so machen wollten, könnte es leicht sein. Denn er würde doch natürlich annehmen, daß wir mit genügender Hilfe zurückkommen. Aber ich denke, daß wir alle zusammen in aller Ruhe fortgehen."
„Na, da bin ich wirklich sehr neugierig. Aber nanu, du willst wohl wirklich diesen vertrackten Baum fällen?"
„Das will ich allerdings. Denn da wir wenigstens einige Tage hierbleiben müssen, will ich Thassa nicht unnötig reizen oder argwöhnisch machen. Vorwärts, ich habe immer gehört, daß Holzhacken sehr gesund ist."
„Sehr nett," meinte ich resigniert, „ich hätte allerdings bei dieser Hitze eine andere Beschäftigung vorgezogen. Dann wollen wir also zuerst mit der Säge gemeinschaftlich arbeiten und uns nachher beim Hacken ablösen"
Schweigend arbeiteten wir ungefähr eine Stunde. Dann begann Rolf, da wir nicht mehr sitzen konnten, mit kräftigen Axthieben das harte Holz zu bearbeiten. Ich blickte ihm eine Weile zu, dann betrachtete
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