Rolf Torring 020 - Der Flug nach Norden
Stricke."
Sofort fühlte ich seine Hände, die an meinen Fesseln zerrten. Pongo hatte inzwischen schon seine Füße befreit, indem er sie — auf der Seite liegend und die Knie angezogen — löste. Er war schon fertig, als Rolf gerade meine Bande auf bekam.
Jetzt kam auch für uns noch das schwierige Stück, die Fußfesseln zu lösen, aber endlich gelang es doch, wenn auch die Finger, ja, der ganze Körper durch die unbequeme Körperlage schmerzten.
Jetzt hieß es nun, die Entscheidung herbeizuführen. Wir legten die Hände natürlich wieder auf den Rücken, denn es konnte ja leicht sein, daß sich der Anführer eine Leuchte mitbrachte, wenn er unser Gefängnis betrat. Ja, vielleicht wußte der intelligente Mann sogar unsere Taschenlampen zu benutzen. Denn wenn er schon viele Reisende ausgeplündert hatte, wie er ja selbst zugegeben hatte, dann waren ihm die Lampen sicher nicht mehr fremd.
Rolf fing nun plötzlich an, sich hin und her zu werfen Und von Zeit zu Zeit stieß er ein tiefes Stöhnen aus. Es dauerte kaum zwei Minuten da erschien ein Tibetaner vor dem Eingang, starrte aufmerksam zu uns hinein und verschwand wieder.
Jetzt mußte die Entscheidung kommen, denn sicher holte er jetzt den Führer. Mir schlug das Herz doch schneller, denn wenn unser Anschlag misslang, waren wir dem Tod geweiht, dem scheußlichen Tode des Erhängens. Sehr angenehm waren meine Gefühle deshalb nicht, als plötzlich die hohe Gestalt des Bandenführers im Schein des nächsten Feuers auftauchte.
Er blieb, ganz wie wir erwartet hatten, zwei Schritte vor der Grotte stehen und fragte:
„Was ist passiert, meine Herren? Der Posten sagte mir, daß Herr Torring unruhig ist?"
„Mein Freund scheint doch ernstlich erkrankt zu sein," sagte ich hastig, während Rolf im gleichen Augenblick wieder aufstöhnte, „vielleicht kann er kalte Umschläge auf den Kopf bekommen? Es scheint sich um eine leichte Gehirnerschütterung zu handeln."
Der Führer antwortete geraume Zeit gar nichts, er schien genau zu überlegen, was er jetzt tun sollte. Und schon dachte ich, daß unser Plan jetzt ins Wasser gefallen sei und wir dadurch in höchste Gefahr gebracht wären, da rief er einen Befehl, sofort kamen zwei Wächter heran, und in ihrer Begleitung kam er gebückt in unsere Nische.
Rolf stöhnte noch immer, jetzt standen die drei Gegner direkt vor unseren Füßen, da schnellten wir hoch. Jeder Gegner bekam einen heftigen, völlig überraschenden Schlag in den Magen, so daß sie atemlos nach vorn knickten. Dann gab es einen kräftigen Schläfenhieb, und wir packten jetzt ihre Kehlen. Im nächsten Augenblick lagen sie wehrlos unter unseren Fäusten.
Ich zog sofort meinem Gegner die Pistole aus dem Gürtel, denn der Kampf mußte ja von den anderen Wächtern gehört sein. Aber merkwürdigerweise ließ sich niemand sehen, anscheinend waren die meisten Räuber nach dem Mittagessen in einen Schlaf gefallen.
So konnten wir jetzt in aller Ruhe die Überwältigten fesseln; mit denselben Stricken, die wir vorher getragen hatten.
Endlich fingen sie an, sich zu regen. Als erster der Anführer, der seine sehr zähe Natur bewies, denn Pongo hatte sicher viel kräftiger zugeschlagen als wir beide. Als er merkte, daß er gefesselt war, lag er einige Augenblicke ganz reglos, dann riß und zerrte er plötzlich mit gereiztem Zischen und Zähneknirschen an seinen Banden. Aber Pongo hatte gute Arbeit getan, und aufstöhnend vor Wut und Schmerzen lag er wieder still.
„Ja, ja, jetzt hat sich das Blatt gewendet," lachte Rolf gemütlich, „jetzt wollen wir einmal unsere Bedingungen stellen. Also bedingungslose Freilassung, Zurückgabe unseres Eigentums — auch der dreitausend Pfund — und wir geben Sie ebenfalls frei. Natürlich müssen wir vor einem Angriff Ihrer Leute völlig sicher sein."
Der Bandenführer stieß einen wilden Fluch in fremder Sprache hervor, lag dann wieder einige Zeit still und sagte dann endlich zu meiner großen Erleichterung:
„Ja, ich glaubte doch nicht, daß Sie so gefährlich sind! Ich muß auf Ihre Bedingungen eingehen, aber ich sage Ihnen gleich, daß der Kampf von neuem beginnt, sobald Sie sich eine bestimmte Strecke von unserer Schlucht entfernt haben Und dann dürfen Sie keine Schonung erwarten, Sie sollen unser Geheimnis hier nicht verraten!"
„Gut," gab Rolf kaltblütig zu, „sagen wir, daß wir einen Vorsprung von einem Kilometer bekommen Wie weit ist es noch bis Lhassa?"
„Es sind ungefähr noch zehn Kilometer. Wir werden
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