Rolf Torring 041 - Vogelfrei
selber den denkbar schlechtesten Dienst erwiesen. Rolf warf mir einen aufmunternden Blick zu und lächelte schadenfroh.
„Aber ich kann doch meine Leute hier nicht allein lassen," ereiferte sich der Araber und verlor völlig seine bisher bewahrte Ruhe. „Die Reise nach dort und zurück dauert lange Zeit! Wer weiß, wie lange man mich dort aufhält! Meine Leute ..."
„Beruhigen Sie sich," fiel ihm der Engländer in die Rede, „Ihre Leute werden hier bestens verpflegt. Die Kosten werden Ihnen selbstverständlich in Rechnung gestellt. Die Reise hin und zurück brauchen Sie jedoch nicht zu bezahlen."
Er erhob sich und winkte den Soldaten, daß man uns abführen solle, und während der Araber in laute Verwünschungen ausbrach, ging er fort.
Wir verließen den Raum, als ob wir eine Schlacht gewonnen hätten. Als wir durch den Vorraum kamen, schloß Pongo sich uns an. Er mochte denken, daß alles im besten Sinne geregelt sei.
2. Kapitel. Unterwegs zur Küste.
Wir drei waren guter Dinge.
Die Gefahr, daß wir den Belgiern ausgeliefert wurden, bestand vorläufig nicht. Wir halten eine lange Bahnfahrt vor uns, und unterwegs konnte sich viel ereignen. Auch unser Pongo war der Ansicht.
„Weite Reise gut," sagte er zuversichtlich. „Unterwegs fortlaufen!"
Ja, das kam nun ganz darauf an, wie sich die Gelegenheit bot und wie wir bewacht wurden. Man konnte uns doch nicht gut gefesselt in einen Güterwagen sperren. Auf der langen Fahrt mußte man uns eine gewisse Freiheit lassen. Natürlich würden uns mehrere Askaris zu unserer Bewachung begleiten. Auf alle Fälle waren die Aussichten nicht schlecht.
„Weißt du, Hans," sagte mein Freund zu mir, „ich gäbe viel darum, wenn ich unseren lieben Freund Mohammed heimlich beobachten könnte. Was meinst du, was der für eine Wut im Leibe hat!
„Ja, stimmte ich lachend zu, „das hat er glänzend gemacht. Wenn es das erste Mal gewesen ist, daß er jemand der Spionage verdächtigt hat, so wird er sich schwer hüten, das Experiment zu wiederholen."
Wir hatten erwartet, daß wir schon am nächsten Tage abtransportiert würden, aber wir blieben noch sechs volle Tage im Fort und konnten uns innerhalb des geräumigen Hofes frei bewegen. An ein Entkommen war allerdings nicht zu denken, denn da die vielen Araber dort kampierten, waren längs der Umfassungsmauer starke Wachtposten aufgestellt. Hätte man am Tage einen Fluchtversuch unternommen, wäre man von den Reitern schnell eingeholt worden. Und in der Nacht wurden wir eingeschlossen.
Einen besonderen Spaß machten wir uns, wenn wir auf dem Kasernenhof Mohammed Tip trafen. Dann kreuzten wir die Arme über der Brust, verneigten uns höflich und sahen ihn mit dem denkbar fröhlichsten Gesicht an, als ob er uns den größten Gefallen erwiesen hätte.
Die farbigen Soldaten hatten ihren Spaß daran, wenn sie es sahen, denn sie ahnten, daß der Araber uns nur beschuldigt hatte, um uns einen Streich zu spielen. Die Leute waren sehr nett zu uns und besorgten uns, was wir haben wollten. Natürlich mußten wir ihnen das nötige Geld geben, um die Sachen einzukaufen. Doch sie wußten, daß immer ein gutes Trinkgeld für sie abfiel.
Schließlich ging die Reise los. Ich weiß nicht, ob die Soldaten nur unsertwegen aufgeboten waren oder ob ein Kommando irgendwo unterwegs abgesetzt werden sollte, genug, wir befanden uns mit zirka 40 Mann in dem Eisenbahnwagen. Die mußten wohl für unsere Bewachung ausreichen.
Der Zug — er führte außer einer vorsintflutlichen Lokomotive auch drei Wagen — machte einen recht bescheidenen Eindruck. Ich will nicht gerade behaupten, daß man auf die Dauer mit ihm hätte Schritt halten können, aber mit D-Zuggeschwindigkeit fuhr er absolut nicht.
Das war auch nicht notwendig, denn wir hatten ja Zeit und kamen immer noch früh genug an unser Ziel. Und wenn sich eine gute Gelegenheit bot, konnte man unter Umständen aus dem Wagen springen. Denn den Gedanken, zu fliehen, hatten wir absolut nicht aufgegeben, und wir warteten nur auf den geeigneten Augenblick. Es hatte freilich keinen Zweck, daß wir uns einen festen Plan machten, aber im gegebenen Augenblick bedurfte es nur eines Blicks des Einverständnisses, um unseren Entschluß in die Tat umzusetzen.
Mohammed Tip saß zwar mit uns in einem Wagen, aber im anderen Abteil. Der Wagen war in der Mitte geteilt und durch eine Tür verbunden. Sie war aber meistens geöffnet, sodaß wir ihn gelegentlich sehen konnten, aber jetzt beachteten wir ihn garnicht.
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