Rolf Torring 041 - Vogelfrei
warf in rasender Eile den feinen Wüstensand auf mich, daß bald nichts mehr von mir zu sehen sein konnte.
Immerhin begrub er mich nicht vollständig, soviel Freiheit ließ er mir, daß ich bequem atmen konnte.
Nur wenige Minuten hatte meine Beerdigung gedauert. Dann kam Rolf an die Reihe, und bald sah man statt seiner nur einen schwachen Hügel.
Wir waren völlig verschwunden!
Aber unser Pongo! Den konnte doch jetzt niemand eingraben!
Doch das war auch nicht nötig. Ich hatte früher oftmals beobachtet, wie sich die Hühner im trockenen Sand eingruben. Immer tiefer scharren sie die Grube, bis sie fast verschwinden. Die gleiche Methode wandte unser Pongo an.
Zuerst legte er sich auf den Rücken und wühlte mit Händen und Füßen den Sand auf. Immer weniger sah man von ihm, und schließlich, — wie er es gemacht hatte, wußte ich wirklich nicht, — genug, Pongo war verschwunden. Er hatte sich im spitzen Winkel zu uns eingewühlt, und nun ragten unsere Köpfe in kleinen Abständen aus dem Sande, und wir sahen uns gegenseitig an.
Pongos rundes Gesicht glänzte wie Vollmondschein. Man sah ihm an, daß er auf seine Leistung sehr stolz war. Und dazu hatte er auch alle Ursache, denn das sollte ihm erst einer nachmachen, drei erwachsene Menschen innerhalb weniger Minuten verschwinden zu lassen! Wir brauchten nicht zu befürchten, daß man, selbst aus geringer Entfernung, unsere Gesichter erkennen könnte. Die hoben sich wohl wenig von dem gleichfarbigen Wüstensand ab. Und unser Pongo hatte schlauerweise sein Hüfttuch, das nicht gerade schneeweiß war, über den Kopf gezogen. Seine Arme hatte er so eingewühlt, daß er mit seinen Händen den Kopfschutz wie eine Markise regulieren konnte.
Wir mußten herzlich lachen, obwohl die Situation wirklich nicht danach war. Jetzt begriffen wir Pongos Taktik vollkommen.
Vorläufig suchten uns unsere Verfolger in der Richtung der Berge, wohin wir zuerst entflohen waren. Erst wenn sie einsahen, daß wir dort nicht waren, würden sie nachsehen, ob wir inzwischen den Bahndamm überquert und hinter den spärlichen Büschen Zuflucht gefunden hätten. Daß wir aber in ganz geringer Entfernung von ihnen auf freier Wüste, die weither zu übersehen war, in aller Seelenruhe lagen, diese Frechheit trauten sie uns sicher nicht zu!
Die einzige Gefahr hatte nur darin bestanden, daß die Askaris von der Bodenwelle aus, die uns vom Bahndamm trennte, Ausschau halten konnten, bevor wir ihren Augen entschwunden waren. Und diese Gefahr war nun glücklich überstanden.
„Askaris nicht herkommen," beruhigte Pongo uns. „Warum suchen, wenn sehen können, daß Massers nicht da?"
Und damit hatte er vollkommen recht. Daß auf dem Platz, wo wir lagen, die Gesuchten nicht waren, sahen sie mit bloßen Augen! Pongos guter Einfall war wirklich nicht mit Gold aufzuwiegen!
Ich weiß nun nicht, ob sich einer der Leser schon einmal im heißen Wüstensand unter der Äquatorsonne hat eingraben lassen, aber ich glaube wohl kaum. Daher kann sich ja niemand eine Vorstellung davon machen, welch ein unbehagliches Gefühl es ist, wenn der glühendheiße Sand ringsum den Körper umschließt. Die Hautatmung, ohne die der Mensch nicht leben kann, ist kolossal erschwert, und wenn der Sand auch porös ist, so kann doch die Ausdünstung des Körpers nicht annähernd in dem Maße entweichen, wie es notwendig ist.
Der Schweiß brach uns aus allen Poren. Schwitzten wir schon während des Laufens, so war das nichts gegen das unbehagliche Gefühl, das wir nun empfanden.
Und dabei durfte man sich ja nicht einmal rühren! Furchtbare Qualen standen wir aus, und im Anfang, als das Blut noch vom tollen Lauf erhitzt durch die Adern jagte, glaubte ich, ersticken zu müssen. Aber allmählich wurde es besser. Nur der Schweiß rann uns über das Gesicht und biß in die Augen, das war scheußlich. Die Augen tränten und schmerzten uns heftig. Ich konnte schon in geringer Entfernung nichts mehr erkennen.
Rolf litt unter den gleichen Übeln ebenso wie ich. Aber wir unterdrückten unsere Schmerzen und klagten nicht, denn wir wußten, daß unsere Leiden dem guten Pongo in die Seele schnitten. Er war besser daran, denn er war ja das Klima gewöhnt und empfand die Hitze lange nicht in dem Maße wie wir. Das hatte er aber sicher nicht bedacht, sondern bei ihm war ausschließlich die Zweckmäßigkeit ausschlaggebend gewesen. Nach einiger Zeit schien es, als wenn unsere Körper ausgedörrt seien. Wenn unser Gesicht auch nicht gerade
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