Rolf Torring 053 ~ Im furchtbaren Gran Chaco
ich den Halm im Mund, als ich auch schon einen leichten Schlag im Arm verspürte. Gleichzeitig durchzuckte mich ein furchtbarer, glühender Schmerz, der meinen ganzen Körper durchrieselte.
Völlig instinktiv schluckte ich den Halm mit dem Gegengift hinunter. Mit entsetzlicher Klarheit verspürte ich im gleichen Augenblick, daß ich es den Bruchteil einer Sekunde später nicht mehr gekonnt hätte. So plötzlich und blitzschnell überfiel die Lähmung den ganzen Körper. Wie bei dem Curare-Gift behielt ich die volle Empfindlichkeit meiner Gefühlsnerven. Meine Bewegungsnerven jedoch waren gelähmt.
Es war ein ganz entsetzlicher Zustand. Gewiß, wir hatten schon oft dem Tode ins Antlitz gesehen, nicht nur dem schnellen, schmerzlosen, sondern auch dem langen, qualvollen Tod. Aber ein solch langsames Vergehen war doch das Schrecklichste. Und vielleicht wirkte das Geschenk der Häuptlingstochter noch furchtbarer.
Hätte ich gewußt, daß ich unbedingt so langsam sterben müßte, dann hätte ich mich schließlich auch darein geschickt. Hätte vielleicht noch irgendeinen Trostgedanken gefaßt, der mir über den furchtbaren Übergang hinweggeholfen hätte.
So aber kam die Hoffnung dazu, ob vielleicht das Gegengift seine Wirkung haben würde. Aber mit der Hoffnung zugleich die furchtbare Angst, daß es nicht der Fall sein könnte.
Ein Wüstenwanderer hat vielleicht ähnliche Gefühle, wenn er nach langem Umherirren, halb verdurstet, halb wahnsinnig, plötzlich weit in der Ferne eine Oase erblickt.
Er wird erst aufjubeln, mit frischen Kräften vorwärtseilen, bis ihn die lähmende Angst packt, daß die rettende Oase eine Fata Morgana, eine Luftspiegelung sein könnte.
So ähnlich war mir zu Mute. Zwischen Verzweiflung und Hoffnung schwankte ich. Bald faßte ich Mut, stellte mir vor, daß ich in wenigen Augenblicken die Herrschaft über meinen Körper zurückerhalten würde. Dann überfiel mich in der nächsten Sekunde wieder tiefste Niedergeschlagenheit. Waren es auch genügend Tropfen des Gegengiftes gewesen? Hatte vielleicht das kurze Stück Halm zuviel Flüssigkeit fortgesaugt?
Und in der nächsten Sekunde schwankte mein Zweifel wieder zur anderen Seite. Rolf hatte ja vier Tropfen genommen anstatt drei, wie uns der junge Hua vorgeschrieben hatte. Vielleicht war gerade dieser vierte Tropfen unser Unglück, hatte vielleicht die Wirksamkeit des Giftes noch verschärft. Denn er kam ja unbedingt in unseren Magen, mochte der Halm auch einen Teil aufgesaugt haben.
Wie gern hätte ich Rolf angesehen, um im Ausdruck seiner Augen Trost zu schöpfen. Aber ich konnte ja meinen Kopf nicht herumdrehen. Mit entsetzlicher Klarheit konnte ich die Lähmung, die meinen Körper immer mehr ergriff, beobachten.
In mein furchtbares Sinnen, das Schwanken zwischen Hoffnung und tiefster Niedergeschlagenheit, klang plötzlich eine Stimme. Die höhnische lachende Stimme Calcalets, des Jägers.
„Nun, meine Herren, wie befinden Sie sich? Angenehm, wenn ich nicht irre. Ja, es ist ein langsamer, aber sicherer Tod, den Sie erleiden müssen. Aber, wie gesagt, sehr sicher: Haha! Das hätten Sie sich wohl nicht träumen lassen, meine Herren, daß der Jäger Calcalet Sie überlistet? So berühmte Herren, über die schon alle Zeitungen der Erde geschrieben haben. Ja, mein Freund Huaina kennt Gifte, gegen die auch Ihre Schlauheit nichts hilft"
Calcalet schloß seine Rede mit höhnischem Auflachen. Er stand jetzt dicht vor mir und blickte mich mit teuflischem Lachen an. Dann beugte er sich nieder und zog mein Augenlid in die Höhe.
„Na ja," grinste er dann, „hat ja tadellos gewirkt Bei Ihnen muß man sich doch etwas vorsehen. Deshalb habe ich auch einen ganz besonderen Tod für Sie erwählt, einen Tod, der Ihrem abenteuerlichen Leben vollkommen entspricht. Sie werden es noch merken, wenn ich mit Huaina fort bin. Da haben es die beiden Forscher, die Sie suchen, besser gehabt; sie sind nur verdurstet. Für Sie ist aber selbst der Tod durch das Pfeilgift zu schade, Sie sollen eine ganz besondere Todesart erleiden. Hoho, denken Sie nur an die Knochen, die an der Quelle liegen!"
Der Jäger, der sich jetzt so recht in seiner ganzen niederträchtigen Natur zeigte, wurde am Weiterreden durch den Indianer gehindert, der auf ihn zugetreten war. Huaina war offenbar sehr ängstlich geworden. Er schien irgendeine Gefahr zu wittern, die selbst ihm, als erfahrenem
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