Rolf Torring 071 - Matsu der Tiger
mal aufscheuchen!"
Wir überquerten die Straße und traten auf das Holzhaus zu. Hinter dem Haus schlängelte sich ein Bach entlang, den der Färber für seinen Beruf notwendig brauchte. Links von uns ragten wuchtige Mauern in den mondhellen Himmel, die Ruinen des alten Tempels, von dem uns Harris erzählt hatte. Die Entfernung mochte kaum vierzig Meter betragen. Rolfs Vermutung, daß ein unterirdischer Gang zwischen Garos Haus und der Ruine existiere, schien mir glaubhaft. Wenn das Haus früher zum Tempel gehört hatte, war es sogar anzunehmen.
Energisch klopfte Harris gegen die Tür. Nichts im Hause rührte sich.
„Schon verdächtig!" flüsterte der Inspektor. „Wo sollte sich der Färber zu so später Stunde aufhalten, wenn er nicht krumme Wege geht? Die Tür steht ja offen! Gehen wir hinein?"
Ohne unsere Antwort abzuwarten, stieß er die leichte Tür ganz auf und schaltete die Taschenlampe ein. Der helle Schein enthüllte das typische Innere einer ärmlichen indischen Behausung.
Die schmutzige Lagerstätte war leer. Die zerrissene Decke lag so glatt, daß Garo noch nicht geschlafen haben konnte. Aufmerksam musterte der Inspektor den Raum, beleuchtete besonders lange die Türpfosten, blickte nach oben und trat erst, als er nichts Verdächtiges bemerkte, in das Haus ein.
Wir warteten, bis er den Raum nach allen Richtungen hin durchschritten hatte, dann betraten auch wir die Hütte. Die Kübel mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten, in denen Häute und Stoffe schwammen, verbreiteten einen beklemmenden Dunst. Es war kein angenehmer Aufenthalt. Im stillen wunderte ich mich, wie hier überhaupt ein Mensch leben konnte.
„Wir müssen sehen, daß wir den geheimen Eingang entdecken," flüsterte Rolf. „Ich bin überzeugt, daß einer vorhanden ist. Es ist zwar Gefühlssache bei mir, aber ich täusche mich selten. Also heißt es vor allem, den Boden zu untersuchen."
So aufmerksam wir jede Fuge und Ritze im Lehmboden betrachteten und mit den Spitzen unserer Messer darin herumstocherten, wir fanden keine Falltür, die in den vermuteten Gang führte. Selbst das Bett nahm Rolf von seinem Platz und untersuchte den Boden unter ihm, gleichfalls vergeblich. Endlich blieb er vor den großen Farbkübeln stehen, betrachtete sie nachdenklich und begann, den ersten vorsichtig zur Seite zu schieben.
Mir erschien das ein aussichtsloses Beginnen, denn wie sollte eine Falltür von innen geöffnet werden, wenn ein schwerer, mit Farblauge gefüllter Bottich auf ihr stand? Aber ich sagte nichts, sondern half, den zweiten Kübel von seinem Platz zu rücken.
Harris sah unseren Bemühungen kopfschüttelnd zu, als wir aber den dritten Bottich fort schoben, stieß Rolf einen leisen Pfiff aus. Deutlich sahen wir im Lehmboden die Umrisse einer quadratischen Klappe. Ich sprach meine Verwunderung aus, wie ein öffnen möglich sei, wenn der Farbbottich darauf stünde.
Rolf zeigte auf zwei tiefe Rinnen im Boden und flüsterte:
„Die Klappe öffnet sich nach unten. Da kann der Mann, der den Gang passiert hat, den Bottich mit Hilfe von Hebeln bequem zur Seite schieben. Sehr gut gemacht! Das muß ich sagen."
Während er sprach, fuhr er mit dem Messer die schmalen Ritzen entlang. Plötzlich fiel die Klappe lautlos nach unten. Rolf nickte mir triumphierend zu.
Er leuchtete in die dunkle Öffnung hinab, dann kletterte er hinein und ließ sich hinunter. Der Gang mochte höchstens anderthalb Meter hoch sein, denn Rolf mußte sich bücken, um hineinblicken zu können. Nach kurzer Zeit richtete er sich wieder auf und sagte:
„Wir wollen ruhig entlanggehen. Dann werden wir die Geheimnisse der Tempelruine kennenlernen. Aber immer Abstand halten!"
Rolf bückte sich wieder und verschwand im Gang. Ich folgte ihm sofort, sah ihn langsam vorwärtsschreiten und ging im Abstand von fünf Metern hinterher. Als ich zurückblickte, sah ich, daß der Inspektor auch schon herabgestiegen war und die Falltür hochschob. Dann kam er hinter mir her.
Rolf war bald am Ende des Ganges, blieb eine Weile stehen und suchte umher, während Harris und ich den Schritt verhielten und ihn beobachteten. Rolf untersuchte eine vor ihm befindliche Wand aus Steinquadern, die unbedingt ein Teil der Grundmauer der Tempelruine war.
Lange tastete er sie ab, schob sein Messer in jede Ritze und Spalte und wandte sich endlich kopfschüttelnd der Decke zu. Hier hatte er mehr
Weitere Kostenlose Bücher