Rolf Torring 071 - Matsu der Tiger
Führung waren wir dicht an der Mauer des alten Tempels entlang nach rechts gegangen, dem schmalen, gedeckten Gang zu, durch den wir in den Tempel gekommen waren.
Wie ich bereits erwähnte, hatte der Tempel verschiedene große Mauerrisse in beiden Wänden. Wir konnten durch einen der Risse auf das freie Feld gelangen. Allerdings konnte gerade ein solcher Weg noch sehr gefährlich werden. Die wenigen Meter, die uns von der Freiheit trennten, konnten uns immer noch verderblich werden.
Rolf ging aber nicht auf eine der Öffnungen zu, sondern blieb an der Mauer des Tempels, bis wir die Ecke erreichten, die der anstoßende Gang mit dem Gang bildete, den wir gekommen waren.
Hier lagen große Steinblöcke und viel Schutt umher. Dazwischen wucherten hohe Kräuter.
„So," flüsterte Rolf leise, „hier wollen wir uns verstecken. Es hat keinen Zweck zu versuchen, durch einen der Gänge zu entkommen. Da lauert sicher die größte Gefahr auf uns. Hier bleiben wir bis zum Morgen. Da ist die Aussicht, unverletzt zu entkommen, bedeutend größer. Sie, Herr Harris, haben ja jetzt Grund genug, Tippu Nega und seine Leute gefangen zu nehmen, können also, wenn wir heil aus dem Tempel herauskommen, das Gebäude umstellen und durchsuchen lassen. Sie werden auch so viel von dem kühnen Plan des Fanatikers verstanden haben, um die Hauptattentate verhindern zu können."
„Ich brauche nur telefonisch den Residenten und Gouverneuren der verschiedenen Provinzen Bescheid zu geben, dann ist der geplante Aufstand im Keim erstickt. Aber noch sind wir nicht in Sicherheit. Noch kann ich nicht telefonieren. Was nützen mir meine Kenntnisse, wenn ich sie nicht verwerten kann! Ich meine doch, wir versuchen lieber jetzt schon, aus der Ruine herauszukommen."
Mir waren des Inspektors Worte aus der Seele gesprochen. Ich stimmte lebhaft zu. Rolf aber ließ das völlig kühl, er sagte mit einer fast gleichgültig erscheinenden Ruhe:
„Ich habe mir folgendes zurechtgelegt: Tippu Nega wußte nichts von unserem Eindringen in den alten Tempel. Er hat vielleicht außen Posten aufgestellt gehabt, die uns aber nicht sehen konnten, da wir durch den geheimen Gang kamen. Die Versammlung, die in einem unterirdischen Raume des Tempels stattgefunden hat, war ziemlich stürmisch. So wurde auch der Lärm überhört, den die herabfallende Steinplatte machte, als wir in die Falle hineinfielen. Als uns Pongo befreite, wird der Lärm gehört worden sein. Matsu wurde meiner Meinung nach von seinem Wärter zurückgerufen, weil der erst die Befehle Tippu Negas abwarten wollte. Tippu Nega aber war aus dem Versammlungsraum noch nicht zurück. Deshalb konnten wir ungehindert den Tempel verlassen. Inzwischen wird Tippu Nega aber wissen, daß wir hier sind. Der Wärter Matsus muß Maha gesehen haben. Also kommen wir jetzt bestimmt nicht ungefährdet durch den schmalen Gang nach draußen. Anders ist es morgen früh, wenn wir die Örtlichkeit genau übersehen können, wenn sich niemand einfach im Dunkel der Nacht verbergen kann."
Wir antworteten nicht sofort. Rolfs Überlegungen waren bestimmt aus einer nicht zu widerlegenden Logik geboren. Sie waren folgerichtig aneinander gesetzt und wiesen keine Lücken und Sprünge auf.
Eine Weile sagte weder der Inspektor noch ich etwas. Dann hörte ich Harris' Stimme:
„Ich glaube, Sie haben recht, Herr Torring. Man soll nie die klare, eiskalte Überlegung verlieren. Hier in der Ecke können wir uns gut gegen Angriffe verteidigen, wenn die Inder welche unternehmen sollten, was ich nicht einmal glaube. Heimtückische Fallen können uns natürlich überall gestellt werden."
„Ich hoffe weiter, daß Tippu Nega annimmt, wir wären wirklich aus dem Tempelbereich entkommen," sagte Rolf mit einem leisen Lachen. „Er wird sich kaum vorstellen können, daß wir hier ganz ruhig liegen geblieben sind."
„Großartig!" sagte Harris und war jetzt auch wieder fröhlichen Mutes. „Herr Torring, jetzt verstehe ich schon besser, welchen Eigenschaften Ihres Wesens und welchen Umständen Sie Ihre oft unwahrscheinlich klingenden Erfolge verdanken. Sie können auch da noch lachen, wo andere längst vor Heulen und Zähneklappern nicht mehr aus noch ein wissen. Jetzt werde ich nicht mehr dagegen reden, wenn Sie einen Vorschlag machen."
„Still!" flüsterte Rolf in dem Augenblick. „Sie kommen."
5 . Kapitel Matsu, der Tiger
Das Gespräch war
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