Rolf Torring 089 - Der Todes-Bote
„Das habe ich noch nicht feststellen können, Herr Oberst, ich hatte heute morgen große Eile."
„Vielleicht hat der 'Todesbote' bei Ihnen eingebrochen," mischte sich Rolf ins Gespräch.
Der Kaufmann funkelte Rolf sekundenlang an und sagte darauf ganz ruhig:
„Sie wollen hier wohl Scherze machen, mein Herr?! Ich kenne Sie zwar nicht, sondern habe eben erst Ihren Namen gehört Sie scheinen mit dem 'Todesboten' auf recht vertrautem Fuße zu stehen, daß er trotz Ihrer Mitwirkung gestern bei der Aushebung der Bande entkommen konnte."
Das war eine offene Verdächtigung. Ich wunderte mich, daß Rolf so ruhig blieb.
„Sie haben recht, Herr Tronsgha, ich stehe tatsächlich auf sehr vertrautem Fuße mit dem 'Todesboten' denn sonst hätte ich heute morgen Oberst Longfield nicht mein Wort geben können, daß er ihn bis halb elf Uhr verhaften kann."
Tronsgha lachte fast schrill auf.
„Und solche Mätzchen glaubt Ihnen der Oberst?! Wollen Sie vielleicht behaupten, daß der 'Todesbote' zu Ihnen kommt und um seine Verhaftung bittet?!"
„So ungefähr, Herr Tronsgha! Bis halb elf Uhr fehlen noch zehn Minuten. Der 'Todesbote' müßte also bald hier erscheinen."
Die anderen Kaufleute fingen zu murren an. Sie waren offensichtlich der Ansicht, daß Rolf sie zum Narren halten wollte. Da nahm Oberst Longfield das Wort zu einer größeren Ausführung:
„Sie, meine Herren, haben sicher alle schon einmal oder sogar öfter von meinen beiden Gästen, den Herren Torring und Warren, gehört. Ihr ständiger Begleiter, der Neger Pongo, wird Ihnen ebenfalls dem Namen nach bekannt sein. Die Herren sind nur zu dem Zwecke hierhergekommen, um die Mordtaten, die auf dem Bergpfad geschehen sind, aufzuklären. Sie haben bisher erreicht, daß es uns möglich war, eine ganze Bande auszuheben. Nur der Anführer, der sogenannte 'Todesbote', ist entkommen. Aber Herr Torring hat mir die feste Zusage gegeben, daß er heute vormittag verhaftet werden kann. Er kennt ihn und behauptet, daß er bis halb elf Uhr verhaftet sein wird. Noch fünf Minuten, meine Herren, dann wissen wir, ob wir den 'Todesboten' haben." Als der Oberst schwieg, öffnete sich leise die Tür im Rücken der Kaufleute und — der „Todesbote" in der alten afghanischen Rüstung trat ins Zimmer. Wir wußten zwar, daß es Pongo war, trotzdem wirkte die Erscheinung furchterregend. Noch hatten die Kaufleute ihn nicht gesehen, und da Pongo sich ruhig verhielt, bemerkten die Kaufleute ihn auch nicht.
„Nun, Herr Torring," höhnte Tronsgha, „es ist gleich halb elf Uhr. Wo bleibt Ihr ,Todesbote'?"
„Er steht schon hinter Ihnen, meine Herren," sagte Rolf, der sich von seinem Platz erhoben hatte, laut und scharf.
Ein gellender Aufschrei erfolgte.
Alle Kaufleute hatten den Kopf nach rückwärts gedreht. Sie starrten Pongo wie eine Geistererscheinung an. Nur Tronsgha erbleichte. Deutlich sah ich, daß der athletisch gebaute Mann zitterte.
Wieder erhob Rolf die Stimme:
„Habe ich recht behalten, meine Herren? Ist der 'Todesbote' zu Ihnen gekommen?"
Niemand antwortete. Da schritt Pongo langsam auf Tronsgha zu, hob das kurze Schwert und sagte mit tiefer, dunkler Stimme:
„Nehmt diesen gefangen! Er sein 'Todesbote'!"
Tronsgha stand einige Sekunden wie erstarrt, dann sprang er seitwärts zu einem Fenster und riß es auf. Doch ehe er sich hinaus schwingen konnte, wurde er von Pongo gepackt und ins Zimmer zurückgeschleudert. Gleichzeitig wurde die Tür aufgerissen; Inspektor Longfield betrat mit mehreren Beamten den Raum.
Rolf deutete auf den am Boden Liegenden und sagte nur:
„Fesseln!"
Tronsgha wehrte sich mit Händen und Füßen. Es nützte ihm aber nichts. Schwer gefesselt wurde er auf einen Stuhl gesetzt, während Oberst Longfield vortrat.
„Was fällt Ihnen denn ein, Herr Oberst, mich so behandeln zu lassen?" schrie Tronsgha den Oberst an. „Glauben Sie denn wirklich, daß ich mit dem 'Todesboten' etwas zu tun habe?"
Oberst Longfield sagte nichts. Er schaute Rolf fragend an. Die Kaufleute betrachteten Pongo immer noch furchtsam. Erst als Pongo den Helm mit dem Halbvisier abnahm und sein markanter Negerkopf zum Vorschein kam, verschwand die Angst allmählich. Sie forderten Aufklärung.
„Meine Herren," sagte Rolf, „ich bin Ihnen den Beweis schuldig, daß dieser Mann, der jahrelang unter Ihnen als einer der
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