Rolf Torring 098 - Indische Märchen
andere Weise versuchen, hinter das Geheimnis zu kommen. Durch den Teich können wir nicht, ohne vorher die Krokodile zu töten. Das Ufer ist sumpfig und undurchdringlich. Einen Weg durch das Dschungel zu bahnen, würde zu viel Zeit verschlingen. Ich halte es für richtig, jetzt nach Manipur zurückzukehren und in der Nacht mit Pongo und Maha wiederzukommen. Pongo wird sicher eine Möglichkeit finden, ans andere Ufer zu kommen."
„Vielleicht verrät uns der Professor noch etwas, ohne es zu wollen," fügte ich Rolfs Worten hinzu.
Der Rückweg verlief schweigsam. Jeder dachte über das Geschaute nach und machte sich seinen eigenen Vers darauf.
Gegen 21 Uhr erreichten wir unser Hotel. Pongo hatte sich vorgenommen, bis Mitternacht auf uns zu warten und dann den Professor aufzusuchen. Aber wir wollten vorerst den Professor ganz aus dem Spiele lassen.
Nach reiflichem Überlegen entschlossen wir uns, Maha zu Hause zu lassen und in Pongos Zimmer einzusperren.
Nach einem kräftigen Nachtmahl machten wir uns wiederum auf den Weg nach der Lichtung. Wir erreichten sie eine Stunde nach Mitternacht.
Der Professor schien recht zu haben, daß es hier keine Raubtiere gab, denn wir hörten keine verdächtigen Geräusche.
Als wir auf der Lichtung angekommen waren, zeigte Rolf Pongo die Stelle, wo wir die Inderin beobachtet hatten. Pongo begann wie ein Raubtier umherzuschleichen und einen Weg nach dem gegenüberliegenden Ufer des Teiches zu suchen. Verschiedentlich verschwand er im Gebüsch, kam aber immer wieder zum Vorschein und schüttelte jedesmal den Kopf.
Ich war bis an den Rand des Teiches vorgetreten und sah nach dem anderen Ufer hinüber. Da hörte ich ganz nahe ein verdächtiges Plätschern und sprang zurück. Erst jetzt erkannte ich die nur ein Stück aus dem Wasser herausragenden Köpfe zweier Krokodile.
Mißgestimmt ging ich zu Rolf zurück, der sich im hohen Grase ausgestreckt hatte.
„Von hier aus werden wir kaum durchdringen können, Rolf," sagte ich. „Vielleicht hätten wir es von der anderen Seite versuchen sollen."
„Einen Weg muß es ja geben, Hans. Ich bin fest entschlossen, nicht eher von hier fortzugehen, als bis wir ihn gefunden haben. Ich denke gerade über die Möglichkeit nach, wie der Professor ans andere Ufer gelangt sein kann."
„Wir hätten ihn ruhig danach fragen sollen, Rolf. Wahrscheinlich wären wir dann schon drüben. Die Nacht vergeht rasch, und bei Tage werden wir sicher beobachtet."
Wie aus der Erde gewachsen stand plötzlich Pongo vor uns. Trotz des schwachen Mondlichtes sah ich, daß sein Gesicht vor Freude strahlte.
„Massers, Pongo Pfad nach drüben entdecken"
Rolf war sofort aufgesprungen. Auch Balling kam herbei. Pongo führte uns bis fast an das Ufer des Teiches, bog ein dichtes Gebüsch zur Seite und zwängte sich hindurch. Wir folgten ihm sofort. Vor uns lag ein schmaler Pfad, der um den Teich herumführte.
„Vorsicht!" rief Rolf uns noch schnell zu. „Wir wissen nicht, mit wem wir es zu tun haben!"
Pongo war schon weiter geeilt. Als wir um den Teich herumgegangen waren, zeigte Rolf auf ein dichtes Gebüsch seitwärts unseres Standortes. Als meine Hand unwillkürlich nach dem Kolben der Pistole griff, winkte Rolf ab, trat auf das Gebüsch zu, drängte die Zweige auseinander und zeigte uns die Wurzeln.
Das Gebüsch stand in einem Kasten, der auf einem kleinen Wagen befestigt war, der auf Schienen lief. Das erklärte die plötzliche Veränderung der Szenerie am Mittag. Die Büsche waren echt, aber sie konnten verschoben werden wie auf einer Theaterbühne
Das Erlebnis verlor dadurch den geheimnisvollen Charakter des Märchens. Gespannt blieb ich natürlich, wen wir hier in der Einöde antreffen würden.
Als wir uns durch das Gebüsch hindurchgezwängt hatten, sahen wir vor uns den weiten Platz, über den die Inderin geschritten war. Er war vom Mondlicht übergossen; deshalb zogen wir es vor, ihn nicht zu überqueren, sondern hielten uns am Rande im Schatten der Büsche.
Die Büsche bildeten einen natürlichen Zaun. Dahinter erhob sich eine hohe Mauer, die wir erst bemerkten, als wir dicht davorstanden. Rolf ließ sich von Pongo hochheben und schaute hinüber. Als er wieder bei uns stand, schüttelte er verwundert den Kopf und sagte leise:
„Man muß dem Professor Recht geben; ich bin erstaunt über die Märchenpracht. In dem Garten
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