Rollende Steine
Helm gehauen?« fragte Glod langsam.
»Entschulldigung«, sagte Imp. »In der Aufregung hab ich ihn mit einem Becken verwechsellt.«
»Es sehr ungewöhnlich klang«, meinte der Troll.
»Es steckt Musik in den Steinen«, erläuterte Imp. »Man muß sie nur herausllassen. Alllles enthällt Musik. Es kommt nur darauf an, sie zu finden.«
»Ich selbst es möchte ausprobieren.« Lias nahm die Hämmer und schob sich hinter seine Felsbrocken.
A-bamm-bopp-a-re-bopp-a-bimm-bamm-bumm.
»Du sie hast verändert«, knirschte Lias. »Jetzt sie klingen… wild .«
»Es klingt gut«, sagte Glod. »Viel besser als vorher.«
In dieser Nacht schlief Imp neben Glods kleinem Bett und der Leibesfülle des Trolls. Nach einer Weile schnarchte er.
Neben ihm summten die Gitarrensaiten. Das kaum hörbare Geräusch hatte ihn so sehr eingelullt, daß er überhaupt nicht mehr an die Harfe dachte.
Susanne erwachte. Etwas zupfte an ihrem Ohr.
Sie öffnete die Augen.
QUIEK?
»O nein… «
Sie setzte sich im Bett auf. Die anderen Mädchen schliefen. Das Fenster stand offen, denn Frau Anstand und ihre Kolleginnen hielten frische Luft für sehr wichtig. Es gab jede Menge von ihr, und gratis noch dazu.
Das Rattenskelett kletterte auf den Fenstersims und vergewisserte sich, daß die junge Dame in seine Richtung blickte, bevor es in die Nacht sprang.
Susanne hatte jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder sie legte sich wieder hin, oder sie folgte der Ratte.
Die zweite Alternative war zweifellos die dümmere. So verhielten sich sentimentale Leute in schmalzigen Büchern: naive, unerfahrene Mädchen, die in idiotische Welten voller Kobolde und sprechender Tiere gerieten. Mädchen, denen immer etwas zustieß, die nie Eigeninitiative entfalteten. Sie wanderten einfach umher und gaben Kommentare ab wie: »Ach du liebe Güte!« Ein vernünftiger Mensch wäre innerhalb kurzer Zeit imstande gewesen, alles richtig zu organisieren.
Wenn sie genauer darüber nachdachte… die Sache übte einen gewissen Reiz aus. Es gab zu viele wirre Gedanken auf der Welt. Susanne hatte immer geglaubt, es sei ihre Aufgabe – und die anderer Leute wie sie, falls es welche gab –, Ordnung zu schaffen.
Sie streifte den Morgenmantel über, schob sich über den Fenstersims nach draußen und landete kurze Zeit später in einem Blumenbeet.
Die Ratte huschte als winziger Schemen über den vom Mondschein erhellten Rasen. Susanne folgte ihr zum Stall, wo das kleine Skelett in den Schatten verschwand.
Sie blieb stehen, fröstelte, kam sich wie eine Närrin vor… und beobachtete kurz darauf, wie das Skelett ein größeres Etwas aus der Finsternis zerrte. Das Ding sah aus wie ein Lumpenbündel.
Die Ratte trat um das Etwas herum und versetzte ihm einen energischen Tritt.
»Schon gut, schon gut !«
Das Bündel öffnete ein Auge, spähte umher und richtete den Blick schließlich auf Susanne.
»Ich warne dich«, krächzte es. »Erwarte bloß nicht das N-Wort von mir.«
»Wie bitte?« erwiderte Susanne.
Das Bündel rollte zur Seite, richtete sich auf und breitete zwei schmutzige Flügel aus. Die Ratte trat jetzt nicht mehr danach.
»Ich bin ein Rabe, wie du siehst. Einer der wenigen sprechenden Vögel. Wenn mich die Leute sehen, sagen die meisten: ›Oh, du bist ein Rabe, na los, sag das N-Wort.‹ Wenn ich nur einen Cent für jede Aufforderung bekäme…«
QUIEK.
»Schon gut, schon gut .« Der Rabe plusterte sich auf. »Das hier ist der Rattentod. Dir sind sicher der Kapuzenmantel und die Sense aufgefallen, nicht wahr? Tod der Ratten. Ein hohes Tier bei allen Nagern.«
Der Rattentod verneigte sich.
»Verbringt viel Zeit unter Scheunen und überall dort, wo Menschen einen Teller mit Kleie und Strychnin hinstellen«, sagte der Rabe. »Sehr pflichtbewußt und gewissenhaft.«
QUIEK.
»Was will er von mir?« fragte Susanne. »Ich bin keine Ratte.«
»Sehr scharfsinning«, erwiderte der Rabe. »Hör mal, ich hab nicht um diese Sache gebeten. In aller Seelenruhe schlief ich auf meinem Schädel, und dann zog mich jemand am Bein. Als Rabe bin ich von Natur aus ein okkulter Vogel…«
»Entschuldige bitte«, unterbrach Susanne. »Ich weiß, daß dies nur ein Traum ist, aber ich möchte ihn richtig verstehen. Du hast auf deinem Schädel geschlafen?«
»Oh, nicht auf meinem Schädel. Er gehört jemand anders.«
»Wem?«
Der Rabe rollte beide Augen in verschiedene Richtungen. Er schien sie nicht synchronisieren zu können. Susanne widerstand nur mit Mühe der Versuchung,
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