Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
solchen Konsequenzen rechnen.
    »Dich gibt es gar nicht«, sagte Susanne. »Du bist nur ein Stück Käse.«
    QUIEK?
    Als die Erscheinung sicher sein konnte, Susannes volle Aufmerksamkeit zu haben, holte sie eine kleine Sanduhr hervor und deutete darauf. An dem Stundenglas war eine goldene Kette befestigt.
    Entgegen aller Vernunft beugte sich Susanne nach unten und öffnete ihre Hand. Die Gestalt kletterte hinein – ihre Füße fühlten sich an wie Stecknadeln – und musterte sie erwartungsvoll.
    Die Schülerin hob das Etwas in die Augenhöhe. Ein Hirngespinst, ein Produkt ihrer eigenen Phantasie – etwas anderes kam nicht in Frage. Trotzdem erwachte Neugier in Susanne.
    »Du hast doch nicht vor, ›Bei meinen Pfoten und Schnurrhaaren‹ zu sagen, oder?« fragte sie mißtrauisch. »Wenn du dich dazu hinreißen läßt, werfe ich dich in den nächsten Abort.«
    Die Ratte schüttelte den völlig schnurrhaarlosen Kopf.
    »Gibt es dich wirklich?«
    QUIEK. QUIEKQUIEKQUIEK…
    »Entschuldige«, sagte Susanne. »Ich spreche kein Nagetierisch. In Moderne Sprachen wird nur Klatschianisch unterrichtet, und ich habe gerade gelernt, wie man ›Das Kamel meiner Tante ist in die Fata Morgana gefallen‹ sagt. Wenn ich mir deine Existenz nur einbilde, könntest du versuchen, etwas… hübscher auszusehen.«
    Ein Skelett – selbst ein kleines – sieht nie in dem Sinne »hübsch« aus, nicht einmal dann, wenn es eine offene Miene hat und lächelt. Doch Susanne gewann plötzlich den Eindruck – besser gesagt, sie erinnerte sich –, daß dieses Skelett nicht nur wirklich existierte, sondern auch auf ihrer Seite war. Das erstaunte sie. Bisher war nur sie selbst auf ihrer Seite gewesen.
    Die Ratte richtete einen stummen Blick auf Susanne, nahm dann die kleine Sense zwischen die Zähne und sprang von der Hand herunter. Sie landete auf dem Boden des Klassenzimmers und lief an den Pulten vorbei.
    »Du hast nicht einmal Pfoten und Schnurrhaare«, sagte Susanne. »Zumindest keine richtigen.«
    Das Skelett trat durch die Wand.
    Susanne senkte den Kopf und konzentrierte sich ganz auf die Lektüre von Schlimmerwahns Teilbarkeitsparadoxon: Es bewies die Unmöglichkeit, von einem Holzklotz zu fallen.
     
    Sie probten noch am gleichen Abend in Glods viel zu ordentlicher Unterkunft. Das Quartier des Zwergs lag hinter einer Gerberei in der Fleißigen Straße und war vermutlich von umherwandernden Ohren der Musikergilde geschützt. Die Wände schienen gerade erst gestrichen worden zu sein, und alles wirkte blitzblank. Der kleine Raum funkelte geradezu. Wo ein Zwerg wohnte, gab es keine Kakerlaken, Ratten oder anderes Ungeziefer. Zumindest nicht, wenn der betreffende Zwerg mit einer Bratpfanne umgehen konnte.
    Glod und Imp sahen zu, wie Lias seine Steine aneinanderschlug.
    »Na, waf ihr haltet davon?« fragte er.
    »Das ist alllles?« erwiderte Imp schließlich.
    »Ef find Fteine«, sagte der Troll geduldig. »Man fie nur kann aneinanderflagen. Peng, peng, peng.«
    »Hm«, machte Glod. »Darf ich es mal versuchen?«
    Er setzte sich hinter die Steine und betrachtete sie nachdenklich. Dann rückte er einige von ihnen zurecht, öffnete seine Werkzeugtasche, entnahm ihr zwei Hämmer und schlug einen Brocken versuchsweise an.
    »Nun, mal sehen…«, murmelte er.
    Bamm-bamm-BAMM.
    Neben Imp summten die Saiten der Gitarre.
    »Ohne ein Hemd«, sagte Glod.
    »Wie bitte?« fragte Imp.
    »Das ist nur ein bißchen musikalischer Unsinn«, erklärte Glod. »Wie zum Beispiel ›Rasieren und Haare schneiden, zwei Cent‹.«
    »Was?«
    Bamm-Bamm-a-BammBamm, BammBAMM.
    »Zwei Cent billig für Rasieren und Haare schneiden«, kommentierte Lias. Er schien sein Lispeln wegen des fehlenden Zahns jetzt unter Kontrolle zu haben.
    Imps Blick klebte an den Steinen fest. Auch von einem Schlagzeug hielt man in Llamedos nicht viel. Die älteren Barden meinten, jeder sei imstande, mit Holzstäbchen auf Steine oder einen hohlen Holzklotz zu klopfen. So etwas sei keine Musik. Außerdem – und bei diesem Hinweis senkten sie die Stimme – sei es viel zu primitiv und tierisch.
    Die Gitarre summte weiterhin; sie reagierte auf das Pochen.
    Imp hatte plötzlich das Gefühl, daß man mit einem Schlagzeug eine Menge anstellen konnte.
    »Darf ich mall?«
    Er griff nach den Hämmern. Das leise Summen der Gitarre erklang plötzlich erwartungsvoll.
    Fünfundvierzig Sekunden später legte Imp die Hämmer wieder beiseite. Die letzten Echos verklangen.
    »Warum hast du zum Schluß auf meinen

Weitere Kostenlose Bücher