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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Augen auf, als Binky langsamer wurde.
    Die Tiefe fehlte. Als der Hengst herumschwang und zur Landung ansetzte, erwies sich die Landschaft als reine Oberfläche, als ein dünner Film aus… Existenz, dem Nichts aufgedrückt.
    Susanne befürchtete, der Boden würde reißen, als das Pferd aufsetzte. Aber nichts dergleichen geschah. Nur der Kies knirschte.
    Binky lief ums Haus, verharrte vor dem Stall und wartete.
    Die Schülerin stieg behutsam ab. Was auch immer sich unter ihren Füßen befand – es fühlte sich fest genug an. Sie bückte sich, tastete nach dem Kies und strich ein wenig davon beiseite. Darunter kam mehr Kies zum Vorschein.
    Sie hatte gehört, daß die Zahnfee Zähne sammelte. Wenn man logisch darüber nachdachte… Die anderen Leute, die Körperteile sammelten, taten das meist aus verdächtigen Gründen. Für gewöhnlich planten sie, bestimmten Personen Schaden zuzufügen oder sie zu kontrollieren. Die Zahnfeen hatten vermutlich die Hälfte aller Kinder auf der Welt unter Kontrolle. Dieses Haus paßte nicht ins Bild; es schien kaum passend für jemanden mit so viel Macht.
    Der Schneevater wohnte vermutlich in einem gräßlichen Schlachthof irgendwo in den Bergen. Wahrscheinlich schmückte er sein Heim mit Brat- und Blutwürsten und hatte die Wände gräßlich blutrot gestrichen.
    Das verriet Stil. Er mochte scheußlich sein, aber wenigstens war es ein Stil. Hier gab es so etwas nicht. Ein charakteristisches Merkmal dieses Ortes war die völlige Abwesenheit aller Stilarten.
    Die Seelenkuchendienstag-Ente hatte sicher kein Zuhause. Ebensowenig Des Alten Mannes Schwierigkeiten und der Sandmann.
    Susanne wanderte um das Haus herum, das nicht viel größer war als eine Hütte. Wer hier lebte, litt an einem eklatanten Mangel an Geschmack.
    Schließlich fand sie die Eingangstür. Sie war schwarz und hatte einen omegaförmigen Klopfer.
    Als Susanne die Hand danach ausstreckte, öffnete sich die Tür von allein.
    Vor ihr erstreckte sich ein Flur, der viel länger war, als es die Ausmaße des Hauses zuließen. In der Ferne führte eine Treppe empor, die genug Platz bot für das Steptanzfinale eines Musicals.
    Mit der Perspektive stimmte hier einiges nicht. Ein ganzes Stück entfernt ragte offensichtlich eine Wand auf, die zugleich den Eindruck erweckte, nur drei oder vier Meter vor Susanne in die Luft gemalt worden zu sein. Distanz war nur eine Option.
    Auf der einen Seite stand eine große Uhr. Ihr langsames Ticken hallte durch das gewaltige Innere des kleinen Hauses.
    Ich erinnere mich an ein Zimmer, dachte Susanne. An das Zimmer des Flüsterns.
    Türen zeigten sich rechts und links. Die Abstände zwischen ihnen waren recht groß – oder klein, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet.
    Die Schülerin versuchte, zur nächsten Tür zu gelangen, doch nach einigen unsicheren Schritten gab sie auf. Sie erreichte das Ziel schließlich, indem sie sich die richtige Stelle einprägte, dann die Augen schloß und nach der Klinke griff.
    Die Tür war normal groß und gleichzeitig riesig. Ihr Rahmen war mit Totenschädel-mit-Knochen-Motiven verziert.
    Susanne trat über die Schwelle.
    Dieses Zimmer hätte einer kleinen Stadt genug Platz geboten.
    In mittlerer Entfernung lag ein Teppich auf dem Boden, nicht mehr als einen Hektar groß. Susanne blieb an seinem Rand stehen, nachdem sie einige Minuten darüber gegangen war.
    Vor ihr befand sich ein Zimmer in einem Zimmer. Ein großer, schwer aussehender Schreibtisch stand auf einem Podium, dahinter ein Drehstuhl aus Leder. Susanne bemerkte ein großes Modell der Scheibenwelt. Getragen wurde es von einer Zierfigur, die vier Elefanten auf dem Rücken einer Schildkröte darstellte. Das Durcheinander in den Bücherregalen deutete darauf hin, daß jemand die Bücher viel zu häufig gebrauchte, um sie richtig zu ordnen. Es gab auch ein Fenster; knapp einen Meter über dem Boden schwebte es in der Leere.
    Die Wände fehlten. Zwischen dem Rand des Teppichs und den Wänden des größeren Zimmers gab es nur etwas, das nicht einmal »Boden« genannt werden konnte. Das Etwas bestand weder aus Stein noch aus Holz. Es verursachte kein Geräusch, wenn Susanne darüber ging. Es war schlicht und einfach Oberfläche in einem rein geometrischen Kontext.
    Totenschädel- und Knochensymbole schmückten den Teppich.
    Er war schwarz. Hier schien alles schwarz zu sein oder grau. An einigen Stellen deuteten subtile Schattierungen besonders dunkles Purpur oder ein Blau an, wie man es fünftausend

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