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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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nicht gern nachts arbeitet.
    Etwa zu dem Zeitpunkt, als ich in die Innenstadt von Sherwood einfahre, haben meine Hände aufgehört zu zittern. Nachdem ich meine Straßenseite nach verdächtigen Individuen abgesucht habe – es sind irgendwie mehr als sonst –, angele ich die Hälfte von Davids Büchern aus dem Kofferraum und steuere auf mein Apartment zu, das im Stockwerk über Deans Pfandhaus liegt. Es ist tatsächlich das beste der ganzen Stadt, was ein riesiges rot-weißes Schild im Schaufenster beweist: KEIN DIEBESGUT . Dean hätte auch gleich noch ZWINKER - ZWINKER darunter schreiben können.
    Ich gehe durch die zweifach verriegelte Tür, die gleich neben dem Eingang zum Pfandhaus liegt. Ich poltere die dunkle Treppe hinauf – ich habe Dean schon seit Wochen bekniet, die kaputte, aber für mich nicht erreichbare Glühbirne im Treppenhaus zu wechseln. Erst dann stehe vor einer weiteren Tür, wieder zweifach verriegelt, die zu meinem Apartment führt.
    Die abgestandene heiße Luft schnürt mir die Kehle zu. Ich haste drei Schritte durch die Diele zu meinem Schlafzimmer hinunter, wo mein einziges Klimagerät ins Fenster eingelassen ist. Einen Augenblick später liegt mein Hosenanzug zusammengeknüllt in der Ecke; ich stehe in Unterwäsche vor dem Ding und lasse die kühle Brise jeden einzelnen panikinduzierten Schweißtropfen trocknen.
    Sobald ich mich bis zum Bibbern abgekühlt habe, schalte ich meinen Computer ein und stelle die Verbindung zum Internet her. Um dem nun folgenden Kreischen und Schrillen des Modems zu entgehen – als ob ein Android ausgeweidet würde! –, begebe ich mich rasch in die Küche.
    Ich öffne den Kühlschrank und finde ein einsames Bier, das nach Gesellschaft verlangt. Es findet die ideale Begleitung in einem Stück übrig gebliebener Pizza.
    Zurück im Schlafzimmer sind meine EMails tatsächlich alle heruntergeladen. Im Eingang ganz oben auf der Liste findet sich eine Nachricht von David, die erst vor ein paar Minuten abgeschickt worden ist:
    HÖREN SIE DENN AUCH ZU?
    »Ja, klar doch!« Ich stelle meinen Radiowecker auf Radio-Empfang um und suche nach der Frequenz von WMMP (Wissen die eigentlich, dass ihr Kürzel sich wie ›Wimp‹ liest, also Weichei?). Ich suche den unteren Bereich der Frequenzskala ab, bis der Sound einer Mundharmonika aus den kleinen Lautsprechern dringt.
    Ich kehre zu meinen EMails zurück und bemerke, dass einer der Ordner im EMail-Eingang fett unterlegt ist. »M (1)« steht da, was heißt, ich habe eine Mail von jemandem, den mein Programm automatisch in den ihm zugeordneten Unterordner ›M‹ speichert. Offenkundig hat sie die Wachen davon überzeugt, ihr wieder Computerzugang zu gewähren.
    Die Nachricht verbirgt sich aus Sicherheitsgründen hinter einer ganzen Wand aus Maus-Klicks. Nach einigen Minuten des Zögerns, in denen es in meinen Eingeweiden rumort, lasse ich die Mail, wo sie ist.
    Kurz vor Mitternacht schicke ich meine letzte ›Ich habe endlich einen Job!‹-Mail ab; sie geht an meine ehemaligen Pflegeeltern. Ich strecke mich gerade über die Stuhllehne hinweg, um meine Wirbel knacken zu lassen, da bemerke ich, dass das Radio schweigt. Ist das Signal weg? Ich schnappe mir mein Bier und durchquere den Raum, um zu checken, ob der Stecker wieder aus der alten Steckdose gerutscht ist. Das Ding ist so alt, dass es jede Brandschutzverordnung vergewaltigt.
    Dann eine Stimme, weich und sanft, die sagt: »I’ll never … never get out of these blues alive.« Einen Augenblick frage ich mich, ob die Stimme diesem Monroe gehört – Ich habe dem Programm bisher nicht genug Beachtung geschenkt, um zu wissen, wie seine Stimme klingt. Dann setzt behutsam die Gitarre ein, gefolgt von vereinzeltem Applaus. Das eben Gesagte muss der Name des Songs gewesen sein.
    Ein langsamer, aber eindringlicher Beat des Schlagzeugs begleitet jetzt die Gitarre und schlägt mich in seinen Bann, noch ehe das erste Wort gesungen ist. Ich setze mich aufs Bett, ganz behutsam, als reiche schon eine einzige zu rasche Bewegung, um den Bann zu brechen.
    Die Stimme des Sängers streicht über mich hinweg, um mich herum. Sie klingt nach viel schwarzem Kaffee, Zigaretten und dem vergeblichen Versuch, Schlaf zu finden, wenn man Kummer hat.
    Voller Leidenschaft gesellt sich ein Klavier zu Schlagzeug und Gitarre und widersetzt sich der Untergangsstimmung des Textes. Ich schließe die Augen, und schon bin ich da: in einer schummrigen, verrauchten Bar, wo Einzelgänger sich mit schweren Lidern

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