Roman
Revolution!« David bekommt große Kulleraugen, so begeistert ist er. »Jeder von ihnen kommt aus einer Zeit, in der ein neuer Sound den Zeitgeist einer ganzen Generation verkörpert und die Welt glatt umgehauen hat!«
Wieder Alarmstufe Gelb. »Was meinen Sie damit, dass die DJ s aus einer Zeit kommen …«
»Musikalisch gesehen.«
»Was soll dann die Verkleidung? Ist das jetzt mir zuliebe gewesen oder sind die gerade alle auf dem Weg zu einer Klischee-Convention?«
David schenkt mir ein verschlagenes Lächeln. Anscheinend ist er der Meinung, sein Name sollte ›dunkel und geheimnisvoll‹ bedeuten.
»Das wird Ihnen alles noch klar werden.« Er stapft die Treppe hinauf. »Wichtig ist nur, dass Sie Verständnis für die Musik haben, für die diese DJ s da drinnen leben, und auch für die Geschichte, die dahintersteckt.«
Ich beeile mich, David einzuholen. Die weiße Farbe blättert vom Geländer, als ich mit der Hand darüberfahre. »Ich bin nicht gerade das, was man einen Rockologen nennen könnte …«
»Machen Sie sich keine Sorgen deswegen! Unwissenheit ist die Krankheit unserer Welt, die sich am leichtesten kurieren lässt.« Auf der obersten Stufe angelangt, wendet er sich nach rechts und öffnet die Tür zu einem geradezu winzigen Eckbüro. Licht flackert auf.
Ich stelle mich neben David und sehe, wie er mit dem Finger an Buchrücken entlangfährt, die eng an eng auf einem die ganze Wand einnehmenden Regal stehen. Er zieht einen alten Schinken nach dem anderen heraus und stapelt sie auf einem kleinen runden Tisch. David hört erst auf, als der Stapel größer ist als ich.
»Oh.« Er legt seine Hände auf den Stapel Bücher. »Sie haben noch gar nicht Ja gesagt. Zu dem Job.«
Ich kann es mir nicht leisten, zu hinterfragen, warum sie mich nach einem solch nichts sagenden, oberflächlichen Einstellungsgespräch haben wollen. Es ist geradezu hirnrissig. Das Ganze ist so seltsam, dass ich eine Frage doch noch loswerden muss.
»Was ist eigentlich mit der Zukunft?« Ich zeige auf den gerahmten Flyer des 69er-Konzerts der Grateful Dead im Fillmore West. »Das hier ist ein richtiges Museum. Was ist denn mit der Gegenwart? Und mit dem Morgen?«
David seufzt. »Haben Sie in letzter Zeit Radio gehört? Ganz ehrlich.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Ich zucke mit den Schultern. »Zu viel Werbung.«
»Und?«
»Die Musik ist langweilig.« Ich ziehe meinen MP 3-Player aus der Handtasche. »Bei diesem Ding weiß ich wenigstens, dass ich richtig gute Sachen zu hören kriege.«
»Genau. Die Musik aus dem Radio klingt immer gleich, weil große Konzerne die Radiosender übernommen haben und überall denselben weichgespülten Mist über den Äther jagen.« David beugt sich vor, seine Stimme ist leise, klingt gelassen. »Auf WMMP läuft nie weichgespülter Mist, ganz egal welcher Art. Hier legen die DJ s auf, was sie und nur sie wollen, nicht was irgendein Firmenmanager oder Promoter einer Plattenfirma ihnen vorschreibt. Wissen Sie, wie selten das ist?«
»Lassen Sie mich raten: extrem selten, richtig?«
David nimmt das oberste Buch vom Stapel, The Rock Snob’s Dictionary , und streicht liebevoll über den brüchigen Rücken. »Dieser Ort ist ein Geschenk für Leute, die Musik lieben. Das ist nicht mein Verdienst. Alles hier gehört denen da unten.« Er zeigt auf den Boden. »Aber die Leute draußen wissen nichts von ihnen, jedenfalls noch nicht. Die Eigentümerin ist gerade dabei, ein Vermögen auszugeben, um unsere Reichweite zu vergrößern, damit auch Hörer in D. C., Baltimore und Harrisburg uns empfangen können.«
»Das ist doch gut, oder nicht?«
»Vielleicht nicht.« David klopft mit dem Buchrücken auf den Tisch. »Sie macht es, um den Sender für Käufer attraktiver zu machen. Ein Großkonzern aus der Kommunikationsbranche namens Skywave hat das ganze letzte Jahrzehnt damit zugebracht, Hunderte von Radiosendern zu schlucken.«
»Und WMMP ist der nächste?«
David nickt. »Die Eigentümerin droht damit, an Skywave zu verkaufen, sollten sich die Umsätze nicht bis zum Labor Day vervierfachen. Und dann sitzen wir ab September alle auf der Straße.« David wirft das Buch zurück auf den Stapel. »Frank braucht ein weiteres Paar Beine bei der Laufarbeit fürs letzte Gefecht in Sachen Marketing. Ausgehend von dem, was Sie im College gemacht haben, Ihrer Mappe und Ihrer Energie halte ich Sie für die perfekte Besetzung.«
Bloß kein Druck, wieder mal. Ich werfe einen Blick auf den Bücherstapel. »Die sind
Weitere Kostenlose Bücher