Romana Exklusiv 0197
durch. „Ich wollte eigentlich nur sagen, dass es sehr freundlich von Ihnen war …“ Sie zögerte kurz. Offenbar gefiel ihm das Wort freundlich nicht, denn er zog eine Augenbraue hoch. „Ja, es war sehr freundlich von Ihnen, sich zu vergewissern, dass mit mir alles in Ordnung ist. Aber ich komme gut zurecht, wie Sie sehen.“ Er verzog leicht spöttisch die Lippen. Diese Bemerkung gefiel ihm wohl auch nicht. „Ach, wie soll ich Ihnen sonst erklären, dass Sie sich nicht mehr für mich verantwortlich zu fühlen brauchen?“
„Möchten Sie, dass ich verschwinde?“ Seine Stimme klang kühl und distanziert.
Lysan seufzte. „Das wollte ich doch damit gar nicht andeuten.“ Ich wünsche mir nichts mehr, als dass er hierbleibt, aber warum habe ich mich überhaupt auf dieses Thema eingelassen?, dachte sie. „Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil Sie meinetwegen alles liegen- und stehengelassen haben und …“ Verdammt, sie kam sich vor wie die Katze, die um den heißen Brei herumschlich! Die Situation gefiel ihr nicht, und sie fuhr ihn ärgerlich an: „Fliegen Sie morgen zurück oder nicht?“
Frustriert schaute sie ihn an. Sie hatte sich wirklich bemüht, nett und höflich zu sein und ihr Temperament zu zügeln. Aber der Gedanke, am nächsten Tag allein zu sein und schrecklich zu leiden, war so deprimierend, dass sie Enrico am liebsten alles Mögliche an den Kopf geworfen hätte.
„Kann schon sein“, antwortete er, während er sie prüfend musterte. Dann fügte er vielsagend hinzu: „Vielleicht aber auch nicht.“
Lysan erwiderte seinen Blick, und plötzlich hatte sie das Gefühl, sich das Lachen nicht verkneifen zu können. Sie war sich nicht klar, ob er sich nur über sie lustig machte oder ob er es ernst meinte. „Sie verdammter Kerl!“, sagte sie leise.
Enrico schaute sie unverwandt an, und auf einmal wirkte seine Miene ganz liebevoll. Lysan geriet wieder in Panik. Wahrscheinlich hat meine Stimme viel zu sanft geklungen, ging es ihr durch den Kopf.
„Kann ich Ihnen noch etwas bestellen?“, erkundigte er sich schließlich höflich.
„Nein, danke“, erwiderte sie immer noch beunruhigt.
„Möchten Sie noch eine Weile spazieren gehen? Es ist so ein schöner Abend.“
Sie hätte es gern getan, fühlte sich jedoch viel zu verletzlich und wollte lieber allein sein.
„Ich muss noch einen Brief schreiben“, schwindelte sie, ohne nachzudenken.
Sogleich wurde seine Miene wieder streng. „Ihr Verlobter kann sich sehr glücklich schätzen“, antwortete er steif und stand auf.
Lysan verstand den Wink und erhob sich ebenfalls. Sie ärgerte sich darüber, dass er Noel immer wieder erwähnte. „Sie können sicher sein, dass er Ihre Meinung teilt. Gute Nacht, Señor“, sagte sie kurz angebunden und ließ ihn einfach stehen.
Später, auf ihrem Zimmer, war ihr sehr unbehaglich zumute. Es tat ihr leid, dass sie ihn so schroff und unfreundlich behandelt hatte. Er würde bestimmt am nächsten Tag nach Santiago zurückfliegen, auch wenn er vielleicht vorgehabt hatte, noch länger in Puerto Varas zu bleiben.
6. KAPITEL
Am nächsten Morgen entschloss Lysan sich, Enrico auf seinem Zimmer aufzusuchen, um sich von ihm zu verabschieden. Aber plötzlich hatte sie das bestimmte Gefühl, dass er schon abgereist war. Der Gedanke bedrückte sie so sehr, dass ihr der herrliche Blick aus dem Fenster gar nicht mehr so wunderschön vorkam wie noch am Tag zuvor.
Ziemlich verzweifelt ging sie die Treppe hinunter, durchquerte das Foyer und betrat den Frühstücksraum genau in dem Augenblick, als die Sonne zwischen den Wolken hervorkam und alles in ein strahlendes Licht tauchte.
Lysans Blick fiel sogleich auf die Tische am Fenster, und auf einmal heiterte sich ihre Miene auf. Enrico saß da! Er war noch da, obwohl sie ihn nach dem Dinner am Vorabend so unfreundlich behandelt hatte. Er schaute in ihre Richtung, und als er sie entdeckte, erhob er sich höflich und forderte sie mit einer Handbewegung auf, sich zu ihm zu setzen. Offenbar war er nicht nachtragend.
Ohne lange zu zögern, folgte Lysan seiner Einladung. „Hallo“, begrüßte sie ihn lächelnd und so herzlich, als wollte sie sich für ihre schlechte Laune vom Vortag entschuldigen. „Ich bin froh, dass wir uns nicht verpasst haben.“
„Wie bitte?“, fragte er, nachdem sie sich hingesetzt hatten.
„Um wie viel Uhr geht Ihr Flieger?“
„Was möchten Sie heute unternehmen?“ Er ignorierte ihre Frage einfach. „Sie bleiben noch hier?“ Ungläubige
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