Romana Exklusiv 0224
riesige Esszimmer gesehen, und die Vorstellung, allein dort zu sitzen, war nicht unbedingt verlockend. „Hat Señor Alvares schon gefrühstückt?“
„Si. Er steht meistens vor dem Morgengrauen auf. Er arbeitet in Benidorm und will immer sehr früh dort sein. Setzen Sie sich. Ich mache das Frühstück. Möchten Sie schon eine Tasse Kaffee?“
„Das wäre herrlich.“
„Von woher in Amerika kommen Sie?“, erkundigte sich Esperenza, während sie ein Omelett zubereitete.
„Aus Kalifornien.“
„Das kenne ich. Ich war schon in Hollywood.“
„Haben Sie in einem Film mitgespielt?“ Rachel lächelte die Haushälterin an.
„Nein. Ich war mit Señora Bonita dort. Gott hab sie selig.“ Esperenza bekreuzigte sich und blickte einen Moment traurig drein. „Kalifornien ist … verrückt.“
„Ja, und nicht nur das. Wer war Señora Bonita? Luis’ Mutter?“ Nein, das konnte nicht sein. Luis hatte seine Mutter kurz erwähnt und dabei nicht geklungen, als wäre sie tot. Plötzlich wurde Rachel bewusst, dass sie etwas gefragt hatte. Würde Esperenza es ihm melden?
„Nein, seine Mutter lebt noch und wohnt mit ihrem zweiten Mann in Cannes. Sie liebt das Meer. Nach der Tragödie hat sie wieder geheiratet und ist weggezogen. Sie stammt aus Iowa. Kennen Sie es?“
„Natürlich habe ich von dem Bundesstaat gehört, bin allerdings noch nie da gewesen.“ Von welcher Tragödie redete die Haushälterin?
„Luis hat in Amerika die Schule besucht, allerdings nicht in Iowa. Seine Mutter ist von hier nach Kalifornien gegangen. Spricht etwas gegen Iowa?“
„Nein, aber es ist nicht verrückt wie Kalifornien, sondern eher beschaulich. Möglicherweise wollte seine Mutter mehr für ihn.“
Esperenza blickte nachdenklich drein. „Vielleicht hätte er dort die Schule besuchen und bei seinen Großeltern leben sollen. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Wer weiß.“ Sie servierte Rachel einen einladend aussehenden Teller mit frischem Obst, einer Scheibe Toast mit Butter und einem verführerisch duftenden Omelett.
„So eine Tragödie“, sagte Rachel leise und widmete sich dem Frühstück, hoffte jedoch, dass die Haushälterin auf die Bemerkung einging.
„Ja, das stimmt. Nach Señora Bonitas Tod dachte ich, er würde vor Schmerz verrückt werden. Er war so wütend, wollte nichts mehr mit seinen Freunden zu tun haben und hat sich völlig in sich zurückgezogen. Drei Jahre ist es jetzt her, aber noch immer ist keine Heiterkeit in dieses Haus zurückgekehrt. Er trauert weiterhin, und das ist falsch. Er sollte wieder zu leben anfangen, nach Glück streben und sich eine neue Frau suchen. Und zusammen mit ihr Kinder haben.“
Auch wenn Rachel sich ihn nicht als unbeschwert glücklichen Menschen vorstellen konnte, geschweige denn als verliebt, tat Luis ihr entsetzlich leid. Es musste schlimm sein, die Partnerin so früh zu verlieren. Und diese musste etwas ganz Besonderes gewesen sein, wenn er nach drei Jahren noch um sie trauerte.
„Er sagt, dass er nie wieder heiraten wird. Aber was ist dann mit Kindern? Wer bringt das Lachen zurück ins Haus, wenn nicht Kinder?“ Esperenza schüttelte den Kopf und schenkte ihr Kaffee nach.
Reiß dich zusammen und stell bloß keine Fragen, ermahnte sich Rachel insgeheim. Hatte die Haushälterin nicht vorhin davon gesprochen, dass alles in den Zeitungen gestanden hätte? Wenn es im Dorf eine Bibliothek gab, würde sie dort bestimmt einiges nachlesen können.
Als sie sich nach dem Frühstück an den Schreibtisch setzte, stellte sie erfreut fest, dass Maria ein Textverarbeitungsprogramm benutzte, mit dem auch sie zu Hause gearbeitet hatte. Nein, in Kalifornien, verbesserte sie sich, denn sie betrachtete die Villa ihres Dads nicht länger als ihr Zuhause.
Luis’ Handschrift war nicht die Deutlichste, aber sie bereitete ihr keine wirklichen Schwierigkeiten. Auch wenn ihr das Hintergrundwissen der ersten Seiten fehlte, hielt die Handlung sie schon bald gefangen, und Rachel schrieb so schnell, wie sie lesen konnte.
„Ich fahre jetzt los.“ Luis kam ins Zimmer.
Überrascht blickte sie auf. Sie hatte gedacht, dass er bereits aufgebrochen war. „Nach Benidorm?“
Er nickte und legte ihr einen Zettel auf den Tisch. „Unter der Nummer bin ich im Büro zu erreichen. Rufen Sie mich an, wenn es Probleme gibt. Das Manuskript hat höchste Priorität.“
„Alles klar.“
„Es ist schlimm genug, hinter Luis herlaufen zu müssen, wenn er tagsüber zu Hause ist. Von Ihnen hatte ich
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