ROMANA EXKLUSIV Band 0179
verbleibende Zeit mit Diana zu verbringen. Vielleicht hat es deswegen nur wenige Männer in meinem Leben gegeben, dachte Helen lächelnd. Diejenigen, denen es nichts ausmachte, eine lebhafte Neunjährige zu ertragen, waren meistens ziemlich langweilig gewesen. Nur Jon hatte sich als eine Ausnahme erwiesen – obwohl er vier Jahre jünger war als Helen und als Musiker arbeitete.
Helen hatte noch immer Schwierigkeiten, das Bild, das sie von ihm hatte, mit dem eines Rockstars in Einklang zu bringen. Nicht, dass Jon ein wirklicher Star war. Die Gruppe, bei der er spielte, war nicht besonders bekannt. Dennoch hatte er treue Fans, und würde Helen ihn inzwischen nicht gut kennen, hätte sie ihn als einen wilden Rocker abgetan – wie die Presse ihn darstellte.
Vermutlich hätte sie ein anderes Bild von Jon bekommen, wenn sie vor ihrer Bekanntschaft eines seiner Konzerte besucht hätte.
Helen hatte in einer Münchner Hotelbar auf ihren Chef gewartet, der noch in einer Sitzung war, als ein dunkelhaariger, gut aussehender Mann in Jeans und einer Lederjacke auf dem Hocker neben ihr Platz genommen hatte. Helen selbst hätte von sich aus wahrscheinlich niemals eine Unterhaltung begonnen. Sie hasste es, von Fremden angesprochen zu werden.
Als Helen aufstand, um die Hotelbar zu verlassen, war ihre Handtasche zu Boden gefallen. Während sie sich bückte, um ihre Sachen aufzuheben, war sie mit Jon zusammengestoßen, der ihr helfen wollte.
„Tut mir leid …“, entschuldigte er sich auf Deutsch mit eindeutigem Akzent.
„Das macht nichts. Außerdem bin ich Engländerin“, hatte Helen ihn schnell unterbrochen. Daraufhin hatten sie beide herzhaft gelacht, und das Eis war gebrochen.
Helen war überrascht, in Jon einen sehr unterhaltsamen Gesprächspartner gefunden zu haben. Und als ihr Chef schließlich in die Bar kam, hatte sich bereits eine gewisse Vertrautheit zwischen ihr und Jon entwickelt.
In gewisser Weise erschien er ihr sehr viel älter zu sein als sie selbst, was in krassem Gegensatz zu seiner Jugend und Unreife stand, die sich aber positiv gegenüber Helens Ernsthaftigkeit ausmachten. Vom ersten Augenblick erinnerte er sie irgendwie an jemanden, aber an wen, fand sie nicht heraus. Jedenfalls beschlossen sie, sich wiederzusehen.
Obwohl die Fortune Cookies gerade auf großer Deutschlandtournee waren und Helen in London arbeitete, schafften sie es, sich während der nächsten Monate zumindest einmal in der Woche zu treffen. Eines Tages lud Helen Jon dann zu sich nach Hause ein, damit er Diana kennenlernte.
Natürlich wusste Jon, dass sie eine Tochter hatte. Gleich zu Anfang ihrer Beziehung hatte Helen ihm erzählt, alleinerziehende Mutter zu sein und ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Tochter zu haben. Jon schien dies jedoch nicht zu stören. Im Gegensatz zu den anderen Männern, mit denen sie gelegentlich ausgegangen war, hatte er keine Scheu, sich den neugierigen Fragen einer Neunjährigen zu stellen.
Diana hatte ihn vom ersten Moment an gemocht und sich gut mit ihm verstanden. Nachdem ihre Schulkameraden herausgefunden hatten, dass sie einen Rockmusiker kannte, war ihr Ansehen gestiegen. Helen hatte häufig den Eindruck, dass Diana Jon wie einen älteren Bruder behandelte. Vielleicht reagierte sie deshalb auch nicht eifersüchtig, wenn ihre Mutter mit ihm zusammen war.
Obwohl Helen erleichtert beobachtete, dass ihre Tochter so gut mit ihrem Freund zurechtkam, war sie unsicher, was sie selbst für Jon empfand. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie einen Mann kennengelernt, der Diana akzeptierte. Aber mag ich ihn wirklich?, fragte Helen sich. Oder interessiere ich mich nur deswegen für ihn, weil er Diana ein guter Vater sein würde?
Auf diese Frage musste sie so schnell wie möglich eine Antwort finden. Dieser Urlaub und der Besuch in Jons Elternhaus auf den Bermudas konnten ihr dabei helfen. Helen wusste, dass Jon während der vergangenen vier Jahre nur selten zu Hause gewesen war. Manchmal hatte sie sich schon gefragt, ob das Verhältnis zu seinem Vater vielleicht in irgendeiner Weise getrübt war. Aber als sie Jon darauf angesprochen hatte, hatte er ihr zunächst energisch widersprochen, dann jedoch zugegeben, dass es in den letzten Jahren zu Diskussionen über seinen Lebensstil gekommen war und dass es gelegentlich heftige Reibereien gab. Jon machte dafür hauptsächlich seine Tante verantwortlich, die mit seinem Vater in einem Haus lebte. Offensichtlich glaubte sie, Jon würde seine musikalische
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