Romana Extra Band 6
bemerkte er, wie der Wirtschafterin der Atem stockte. Was sollte sie tun? Den ungebetenen Besucher draußen stehen lassen? Immerhin war er Avas Ehemann. Er hatte absichtlich das Wort „klären“ benutzt. So konnte sie annehmen, dass er nur gekommen war, um sein Einverständnis zu der Scheidung zu bekunden. Dann wäre es falsch gewesen, ihn abzuweisen.
In fremde Angelegenheiten mische ich mich nicht ein, dachte Nula und gab ihre feindselige Haltung auf.
Am nächsten Nachmittag trafen Ava und Varo wieder auf Kooraki ein. Nula hatte ihnen durch den Empfangschef des Hotels, in dem sie wohnten, eine Nachricht zukommen lassen, sodass sie auf eine Auseinandersetzung gefasst waren.
„Wären Dev und Mel hier, hätte Luke nicht gewagt zu erscheinen“, sagte Ava zu Varo. „Er hat Glück, dass die beiden noch in Rom sind.“
Für Varo zählte nur eins: Ava in jedem Fall zu beschützen. Ihr Mann ging ihn nichts an. Nach allem, was er mitbekommen hatte, war Luke Selwyn auf Kooraki nicht gern gesehen. Er ist kein guter Ehemann für Ava, lautete das allgemeine Urteil.
Er war daher überrascht, einem so gut aussehenden, im Umgang höflichen Mann zu begegnen. Luke erinnerte ihn an einen bestimmten englischen Filmschauspieler, dessen Name ihm allerdings entfallen war. Er hatte die gleichen blauen Augen und das gleiche zerzauste blonde Haar. Man meinte sofort zu spüren, wie sehr er noch an seiner schönen Frau hing. Als er zur Begrüßung die Treppe herunterkam, glänzten sogar Tränen in seinen Augen.
Er schien Avas Wunsch nach einer Scheidung gefasst hinzunehmen und seinen Schmerz darüber tapfer zu verbergen – ein gelungener Auftritt, falls alles nur gespielt war. Von rasender Eifersucht und ewiger Feindschaft war nichts zu erkennen. Auch ein Wutausbruch blieb aus. Da sich Ava nie heftig über ihren Mann geäußert hatte, ging Varo davon aus, dass sie einen Teil der Schuld auf sich nehmen würde.
Jetzt weigerte sie sich jedoch hartnäckig, ihrem Mann gegenüber Platz zu nehmen. „Wir sind fertig miteinander“, erklärte sie. „Warum bist du überhaupt hergekommen?“ Sie kannte Lukes schauspielerische Fähigkeiten nur zu gut.
„Hoffentlich macht euch mein Besuch keine Unannehmlichkeiten“, antwortete er gelassen. „Ich wollte einige Dinge zwischen uns klären.“
Die Antwort hatte er sich gut überlegt und richtete sich in erster Linie an Varo, der groß und aufrecht neben Ava stand. Er sah ungeheuer gut aus, wie ein richtiger südamerikanischer caballero eben.
Luke hatte gehofft, einen Playboy anzutreffen, aber damit hatte er sich verrechnet. Varo de Montalvo besaß echtes Charisma und kam eindeutig aus einer privilegierten Familie. Seine Manieren, Sprache und die Autorität, die von ihm ausging, ließen keinen anderen Schluss zu.
Karen hatte sich so geäußert, als wäre Varos starke sinnliche Ausstrahlung das Bemerkenswerte an ihm. Sie hatte sich in der Schilderung seines Sex-Appeals geradezu überschlagen. Dass er diesen besaß, musste Luke zugeben, doch damit war nicht alles gesagt. Er hatte auch etwas Einschüchterndes an sich, etwas, das unbedingten Respekt verlangte. Und er war klug. Es würde schwierig sein, ihn von Ava wegzulocken. Schwierig, aber nicht unmöglich.
Schließlich gab Ava nach und setzte sich Luke gegenüber an den Tisch, womit er gerechnet hatte. Danach verlief das gemeinsame Essen ohne weitere Störung – sogar angenehm, wenn man die unterschwelligen Spannungen bedachte. Nula kochte ausgezeichnet, und Luke war schwer zufriedenzustellen. Was den Wein betraf, so fand sich in Koorakis Keller immer ein guter Tropfen.
Ava brachte zur Not ein leidliches Menü zustande, reichte aber weder an Sarina Nortons noch an Nulas Kochkünste heran. Dafür sah sie mit ihrem schönen, zarten Gesicht wie ein Engel aus.
Luke hätte sich gern zu ihr hinübergebeugt und sie geschlagen. Weil das unmöglich war – Luke konnte sich Varos Reaktion lebhaft vorstellen –, erkundigte er sich weiter nach den Verhältnissen in Argentinien, als wäre er ernsthaft an diesem Land interessiert. Worüber, in Gottes Namen, sollte man sonst sprechen?
Natürlich hatten Ava und Varo miteinander geschlafen. Daran bestand für Luke jetzt kein Zweifel mehr. Ava strahlte etwas aus, das er von ihr nicht kannte und das sie noch schöner wirken ließ. Luke verstand nicht, warum er nicht aufsprang und die beiden beschimpfte. Wahrscheinlich hätte Varo ihn zusammengeschlagen. Es war besser, sich nicht mit ihm anzulegen.
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