Romana Gold Band 13
klar und atemberaubend.
„Mein Vater hat mir nicht erzählt, dass er noch einen Gast erwartet“, sagte sie bedächtig und fuhr sich mit immer noch zitternder Hand durch den kurzen seidigen Blondschopf, der ihr zartes ovales Gesicht umschmeichelte. Olivia war nur etwas über einen Meter sechzig groß und entsprechend zierlich und feingliedrig. Ihre ausdrucksvollen goldbraunen Augen aber nahmen jeden Betrachter auf Anhieb gefangen, und ihr voller, schön geschwungener Mund verriet Wärme und Sinnlichkeit.
Auch der Mund des Fremden war schön und sinnlich, jedoch mit einem harten, kompromisslosen Zug. „Ich kam unangekündigt.“ Ein seltsames Lächeln zuckte um seine Mundwinkel und jagte Olivia einen Schauer über den Rücken.
„Woher? Leben Sie auf Korfu?“ Die Gäste ihres Vaters waren in der Regel reiche Geschäftsleute und deren Ehefrauen … Leute, denen Olivia möglichst aus dem Weg ging. Nur wenige wussten, dass Gerald Faulton eine Tochter hatte.
Seine Ehe mit ihrer Mutter war geschieden worden, als Olivia sechs Jahre alt gewesen war. Olivia war danach in der Obhut ihrer Mutter in einer Kleinstadt in Cumbria, im Nordwesten Englands, aufgewachsen. Gerald Faulton hatte nach der Scheidung wieder geheiratet, um sich nach einigen Jahren erneut scheiden zu lassen. Inzwischen war er vier Mal verheiratet und vier Mal geschieden, doch Olivia war sein einziges Kind geblieben. Was nicht bedeutete, dass sie sich sehr nahe standen. Gerald Faulton beschränkte den Kontakt darauf, ihr zum Geburtstag und zu Weihnachten ein Geschenk zu schicken, gewöhnlich etwas sehr Teures, aber Unpersönliches, das vermutlich von seiner Sekretärin ausgesucht wurde. Die einzige Zeit, die sie zusammen verbrachten, waren diese vierzehn Tage jedes Jahr in seiner Villa auf Korfu. Doch selbst dann hatte er oft noch andere Gäste und beschäftigte sich nur sehr wenig mit Olivia.
Der Blick des griechischen Fremden ruhte forschend auf ihrem Gesicht. Olivia verspürte ein Kribbeln unter der Haut. War ihr vielleicht anzusehen, was sie dachte? Sie wollte nicht, dass dieser Fremde erriet, wie traurig sie der Gedanke an ihren Vater jedes Mal stimmte.
„Nein, ich lebe hier nicht, sondern bin hergesegelt“, beantwortete er mit einiger Verzögerung ihre Frage. „Mein Boot liegt unten im Hafen von Korfu-Stadt.“
„Sie segeln?“ Olivias Augen leuchteten interessiert auf. „Ich auch. Wie groß ist Ihr Boot? Segeln Sie Einhand, oder haben Sie eine Crew?“
„Ich bin Einhand gesegelt. Das Boot ist so konstruiert, dass es leicht für einen Mann zu handhaben ist.“ Er sah sie aufmerksam an. „Sie segeln also auch?“
„Nicht hier, aber auf den Seen zu Hause. Ich lebe im Lake District in England.“
Er lächelte gewinnend. „Eine wunderschöne Gegend.“
„Oh ja“, bekräftigte Olivia leidenschaftlich. „Waren Sie schon dort?“
Der Fremde nickte. Ehe sie ihm aber weitere Fragen stellen konnte, wandte er sich ab, nahm seine Sachen von dem Felsen und ging auf die Pinien zu, hinter denen die weiße Fassade der Villa schimmerte. „Lassen Sie sich nicht stören, und gehen Sie ruhig schwimmen“, rief er über die Schulter. „Bis später.“
Olivia blickte ihm nach, wie er mit raschen, energischen Schritten davonging. Wer war er? Er hatte ihr weder seinen Namen genannt noch etwas anderes über sich verraten. Sie brannte vor Neugier, würde sich aber gedulden müssen, bis sie ihn später in der Villa wiedersehen würde.
Kurz entschlossen drehte sie sich um, rannte zum Meer und tauchte anmutig in die klaren Fluten. Olivia schwamm wie ein Fisch. Ihr Zuhause in Cumbria lag am Ufer eines der Seen, die in diesem Teil Englands die Hauptattraktion für Touristen waren. Auch Olivia verbrachte ihre Freizeit meist auf dem See, an Bord ihrer kleinen Segeljacht „White Bird“. Schwimmen hatte sie gelernt, kaum dass sie laufen konnte. Ihre Mutter war Sportlehrerin an einer örtlichen Schule und sehr darauf bedacht, dass Kinder möglichst früh schwimmen lernten.
Etwa eine Stunde später betrat Olivia die Marmorterrasse der Villa, wo im Schatten einer weinberankten Pergola jeden Morgen das Frühstück serviert wurde. Nach dem Bad im Meer hatte sie kurz geduscht und trug jetzt knappe, blauweiß gestreifte Shorts und ein ärmelloses, gelbes Top.
Ihr Vater saß am Frühstückstisch, las in den englischen Zeitungen vom Vortag, trank Kaffee und hatte sicher wie immer eine Scheibe Toast mit Orangenmarmelade gefrühstückt. Gerald Faulton war ein Mann
Weitere Kostenlose Bücher