Romana Gold Band 13
von festen Gewohnheiten, der jegliche Veränderung in seiner Alltagsroutine verabscheute.
Bei Olivias Erscheinen blickte er kurz von der Zeitung auf und lächelte auf jene zerstreute Art, die bei ihr jedes Mal Zweifel aufkommen ließ, ob er sich wirklich ganz darüber im Klaren war, wer sie war und was sie in seinem Haus suchte. „Ah … guten Morgen. Hast du gut geschlafen?“ Mit fünfundfünfzig war Geralds blondes Haar schon deutlich mit Silberfäden durchzogen, aber sein Körper war, dank rigoroser Diät und täglichem Training, noch straff und gut in Form. Aus seinem scharf geschnittenen Gesicht leuchteten Augen von einem klaren Blau, ein wenig kalt und sehr durchdringend.
„Danke, sehr gut. Und du?“, erwiderte Olivia höflich.
„Ja. Du warst schon am Strand, nicht wahr?“
„Ja, du solltest einmal mitkommen, Vater. Es ist eine wunderbare Art, den Tag zu beginnen.“
„Ich bin wie üblich im Swimmingpool geschwommen.“ Gerald misstraute der See und zog seinen sicheren Pool vor.
Ihr Verhältnis war zu distanziert, als dass Olivia ihren Vater je mit einem Kuss begrüßt hätte. Immerhin lächelte sie ihn herzlich an, als sie sich zu ihm an den Tisch setzte. Doch der Blick, den sie dafür erntete, war kühl und ausdruckslos, als könne Gerald es kaum glauben, dass sie seine Tochter sei.
Seufzend nahm Olivia ein knuspriges Brötchen aus dem Silberkorb, den Anna Speralides, die Haushälterin, auf den Tisch gestellt hatte. „Ich habe heute früh jemanden am Strand getroffen. Er sagte, er würde hier wohnen, nannte mir aber nicht seinen Namen.“
Ihr Vater blickte wachsam auf. „Ein Grieche?“
„Er sprach fließend Englisch, allerdings mit griechischem Akzent.“
Gerald Faulton nickte. „Max Agathios. Ja, er kam gestern Abend spät hier an … unerwartet.“
Der kurz angebundene Ton und die finstere Miene ihres Vaters verrieten, dass er sich über diesen unangekündigten Besuch eher ärgerte. Trotzdem hatte er den Mann zum Bleiben eingeladen. Olivia fragte sich warum, wusste jedoch, dass ihr Vater es nicht leiden konnte, wenn sie neugierige Fragen stellte. Max … Sie rief sich das markante, dunkle Gesicht des Fremden ins Gedächtnis. „Max klingt nicht sehr griechisch“, überlegte sie laut und sah ihren Vater zögernd an.
Der schien ausnahmsweise einmal in redseliger Stimmung. „Er wurde eigentlich auf den Namen seines Vaters getauft: Basil, nach St. Basil, einem in Griechenland weithin verehrten Heiligen. Um Verwirrungen zu vermeiden, rief man zu Lebzeiten des alten Agathios den Jungen Max. Das ist sein zweiter Vorname, nach dem Großvater mütterlicherseits, glaube ich.“ Gerald hielt nachdenklich inne. „Die Familie seiner Mutter soll aus Australien stammen. Max’ Mutter war die zweite Frau des alten Agathios. Mit der ersten, einer Griechin, hatte er einen Sohn, Konstantin. Einige Jahre später starb sie im Wochenbett, soviel ich weiß, und Agathios heiratete Maria, eine wunderschöne Frau. Dann wurde Max geboren.“
Ihr Vater schien erstaunlich viel über die Familie zu wissen. Die Agathios müssen reich oder einflussreich oder beides sein, sonst würde er sich nicht so für sie interessieren, durchzuckte es Olivia ein wenig zynisch. Gerald war völlig einseitig ausgerichtet und lebte nur fürs Geschäft. Wer nicht in irgendeiner Weise mit seinem Geschäft in Verbindung stand, für den brachte er kein Interesse auf.
„Agathios“, murmelte Olivia geistesabwesend, und plötzlich fiel der Groschen. „Sind die nicht auch im Reedereigeschäft?“ Natürlich. Was hatte sie anderes erwartet?
„Aber ja doch“, erwiderte ihr Vater ungeduldig. „Ich dachte, du hättest den Namen gleich richtig eingeordnet.“ Sein Ton verriet, wie ungehalten er war. Gerald Faulton erwartete von seiner Tochter, dass sie alles über sein Unternehmen und auch über seine Konkurrenten im Reedereigeschäft wusste. „Du hast an der Schule doch Handelsunterricht? Bringt man euch da nicht die Namen der wichtigsten Reedereien bei? Du könntest dich wirklich ein bisschen für mein Geschäft interessieren! Immerhin wirst du meine Anteile an der Firma einmal erben!“ Ärgerlich nahm Gerald die Zeitung auf und war im nächsten Moment wieder tief versunken in seine Welt des Geschäfts und der Finanzen.
Olivia hätte ihn am liebsten angeschrien, dass sie natürlich alles über sein Geschäft wisse. Dafür hatte er gesorgt. Er hatte ihre Mutter gedrängt, sie an der Schule einen Handelskurs absolvieren zu
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