Romana Gold Band 15
deswegen nicht hier esse?“
„Kommt Don Antonio auch?“, erkundigte Harold sich beiläufig und vermied es, sie anzusehen, als sie die Treppe hochging.
„Nein, diese Woche schafft er es leider nicht, aus Spanien herzukommen. Er … er ist momentan viel zu beschäftigt.“ Sie verachtete sich selbst, weil sie weiterhin so tat, als wären Antonio und sie ein glückliches Ehepaar.
„Na, ich hoffe, Sie kommen nicht zu spät, Madam“, erklärte er streng über die Schulter, als er zum Arbeitszimmer ging. „Verzeihen Sie mir, wenn ich das sage, aber Sie sehen in letzter Zeit sehr abgespannt aus.“
„Vielen Dank, Harold! Sie wissen, wie man Frauen Komplimente macht“, rief sie, über das Geländer gebeugt, doch er lachte nur.
So kann es nicht weitergehen, sagte sie sich, als sie in ihr Zimmer ging. Aber was sollte sie machen? Ihr Großvater hatte Harold und Anna großzügig in seinem Testament bedacht. Deswegen war sie verblüfft gewesen, als die beiden darauf bestanden hatten, in London zu bleiben und sich um sie zu kümmern, statt aufs Land zu ziehen und ihren Ruhestand zu genießen. Sie fühlte sich in der Großstadt richtig verloren.
Vielleicht sollte sie das Haus verkaufen, denn im Grunde war es verrückt, allein darin zu wohnen und sich von zwei älteren Hausangestellten umsorgen zu lassen. Stattdessen konnte sie sich ein großes Luxusapartment in der Nähe suchen. Dann brauchten Harold und Anna sich auch nicht weiter verpflichtet zu fühlen, sich um sie zu kümmern.
Allerdings hatte es noch Zeit, weil sie so viele andere Dinge erledigen musste.
Seufzend betrat Gina ihr Ankleidezimmer, öffnete die Schranktüren und überlegte, was sie an diesem Abend anziehen sollte. Bisher hatte sie noch keine Kunden zum Essen einladen müssen, obwohl sie in London gelegentlich als Gastgeberin fungiert hatte, bevor sie die Leitung der Filiale in Ipswich übernommen hatte.
Nachdem sie sich jedoch mit Margaret, der Sekretärin ihres Großvaters, beraten hatte, die sich freundlicherweise bereit erklärt hatte, in der Firma zu bleiben und für sie weiterzuarbeiten, hatte sie beschlossen, mit den Kunden in die Oper zu gehen.
„Ihr Großvater hat immer gesagt, dass er auf die Art nicht stundenlang langweilige Konversation mit langweiligen Leuten machen muss“, hatte Margaret ihr lächelnd erzählt.
Sie hatte daraufhin gelacht. Und da sie sehr gern in die Oper ging, würden die Kunden, die es nicht taten, sich eben damit abfinden müssen.
Außerdem braucht die Covent Garden Opera nach dem Umbau das Geld reicher Geschäftsleute, tröstete sich Gina, während sie ein schlichtes, ärmelloses schwarzes Seidentop, eine schwarze Seidenhose und eine dunkelrote Pannesamtjacke aus dem Schrank nahm.
Gina kehrte ins Schlafzimmer zurück, schaltete das Radio auf dem Nachttisch an und streifte ihre Schuhe ab. Dann nahm sie die goldenen Ohrringe und die Kette ab, die sie normalerweise tagsüber trug. Sie hätte es zwar niemals zugegeben, aber sie fühlte sich schrecklich einsam in diesem großen Haus und empfand die Stille als bedrückend. Deswegen hatte sie auch das Radio eingeschaltet.
Warum es ganz anders gewesen war, als ihr Großvater noch gelebt hatte, wusste sie nicht, zumal er sich hauptsächlich in seinem Arbeitszimmer aufgehalten hatte. Seit seinem plötzlichen Tod ging es ihr jedoch zunehmend schlechter. Das ist ja nichts Neues, sagte sie sich ironisch, als sie ins Bad ging und das Wasser in der Dusche aufdrehte. Schließlich wusste sie genau, warum sie so verzweifelt war.
Falls sie gehofft hatte, sich zumindest etwas mit Antonio auszusöhnen, nachdem er so unerwartet in London aufgetaucht war und mit ihr geschlafen hatte, dann war sie bitter enttäuscht worden.
„Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es im Interesse unserer Firmen ist, wenn alle glauben, wir wären immer noch glücklich verheiratet“, hatte er am nächsten Morgen verkündet, bevor er sie ins Büro begleitet hatte, um die Angelegenheit mit ihrem Manager zu regeln. „Das Vertrauen der anderen ist unerlässlich für den Erfolg einer Firma. Und du kannst es dir nicht leisten, dass in der Branche getratscht wird – oder dass irgendjemand glaubt, du hättest nicht alles im Griff.“
„Willst du damit behaupten, dass ich nicht in der Lage sei, meine eigene Firma zu leiten?“, fragte sie wütend.
„Nein, ich bin sicher, dass du dich mit der Zeit als kompetente Geschäftsfrau entpuppen wirst“, sagte er in demselben herablassenden Tonfall wie am
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