Romanzo criminale
Präzisionsfernrohr die menschliche Komödie des Schmerzes, während seine Männer beobachteten, notierten, filmten. Er hatte Anordnung gegeben, sich von der Bühne fernzuhalten. Die lange Jagd war zu Ende. Dandi war ein Boss gewesen. Ein Mann, der auf seine Weise ein Projekt hatte. Er verdiente einen gewissen Respekt. Er würde seine Mörder festnageln. Ironie des Schicksals: Er würde der späte Handlanger der Rache sein. Das hätte auch Vecchio gefallen. Ja, es waren wirklich alle da. Die Haifische, die Sardinen und das Plankton. Nur Patrizia fehlte. Scialoja war sicher, dass es nicht einmal notwendig gewesen war, mit der Witwe zu verhandeln. Sie hatte von selbst verstanden, dass ihre Anwesenheit nicht erwünscht gewesen wäre. Botola konnte die Tränen nicht zurückhalten. Nercio war von einem Trupp schwarzgekleideter Vorstadtwichser umgeben. Donatella hielt einen Kranz mit Ricottas Namen auf der Schleife. Ricotta hatte geweint, als er die Nachricht im Fernsehen gesehen hatte. Einerseits war es klar, dass niemand mehr ein gutes Wort über Dandi verlieren konnte, nachdem er Scrocchiazeppi hatte umlegen lassen. Andererseits gab es jetzt kein Happy End mehr und Ricotta hielt Filme ohne Happy End nicht aus. Nero war natürlich auch da; er sah niemanden an, nur Secco blickte er direkt in die Augen. Und Secco bibberte. Er wusste, dass der andere alles wusste und dass ein Wort genügt hätte, um ihn zu verraten. Nero war drauf und dran, dieses Wort auszusprechen, aber dann überlegte er es sich, und im letzten Augenblick wandte er den Kopf ab und schwieg. Dann hätte er nämlich erklären müssen, warum er die Lügengeschichte, Bufalo sei nach Griechenland abgehauen, geglaubt hatte. Warum er Botola nicht gewarnt hatte. Warum er seinen Boss nicht bis zuletzt beschützt hatte. Warum er ihn nicht aufgehalten hatte, zu dieser letzten Verabredung zu gehen. Warum er zu Patrizia gelaufen war und sie es sich mit Hintergrundmusik und einem schönen Chinotto gemütlich gemacht hatten, er ihr von der Geschichte und vom Leben erzählt hatte, vom Menschen und vom Schicksal, ihr erklärt hatte, dass es keinen Mann des Schicksals gab, dass alles im heiligen Fluss des Lebens geschrieben steht, der unaufhaltsam fließt und das Gute und das Böse auf immer mit sich reißt ... Sie hatten nicht einmal gefickt. Patrizia war todmüde. Als er begriff, dass sie ihm nicht mehr zuhörte, war er auf Zehenspitzen davongeschlichen. Im Grund waren er und Secco aus demselben Holz geschnitzt. Sie glaubten an nichts. Sie hassten Träume. Den Traum, der zuerst Libanese, dann Freddo und schließlich auch Dandi zum Verhängnis geworden war. Den Traum, etwas aufzubauen, das Dauer haben sollte. Aber auf dem Nichts kann man nichts aufbauen. Nicht die Jungen und Schönen gewinnen die Partie. Die, die im Spiel bleiben, wenn die anderen schon längst genug haben, gewinnen die Partie. Und am längsten halten zumeist die Buckeligen, die Fettblasen, die Buchhalter, die grauen Mäuse aus, denen man keine Lira schenken würde. Das steht im Buch des Lebens. Alle suchten Freddo, aber keiner wusste, wo er war. Sie stellten Posten auf. Sie beschatteten seine Eltern. Sie durchsuchten Rom wie einen Heuhaufen. Nichts. Pischello kam zurück und begriff sofort, dass es keine Probleme gab. Niemand kam auf die Idee, dass die drei es gewesen waren, die es Dandi besorgt hatten. Alle suchten Freddo. Pischello brachte seinen Freunden die Frohbotschaft, danach bettelte ihm Rossana ein letztes Rendezvous ab. Sie trafen sich im Zodiaco. Rossana war mit Beruhigungstabletten und Alkohol abgefüllt. Aufgedunsen und unfrisiert, sogar ungewaschen, sie stank nach Tagen im Bett und nach Ziege und Pischello grauste es. Je fester sie sich an ihn drückte, desto mehr fragte er sich, wie er dieses Stück toten Fleisches jemals hatte begehren können. Pischello genierte sich sogar, dass man ihn mit so einer sah. Als er sie aus dem Lokal schleppte, konnte sie sich kaum noch auf den Beinen halten. Als sie über die Panoramica-Brücke gingen, zerkratzte sie ihm die Wange. Pischello beherrschte sich und beschränkte sich darauf, ihr einen kleinen Schubser zu geben. Aber Rossana stürzte sich noch einmal auf ihn. Pischello stemmte sie hoch und warf sie irgendwohin. Rossana druchbrach die Leitschiene und fiel auf die Straße darunter, wo gerade ein Lkw vorbeifuhr. Er hatte keine Zeit zu bremsen. Pischello sah, wie das schwere Fahrzeug sie zermalmte, und begriff, dass es eng für ihn wurde. Man hatte
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