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Romeo und Jabulile

Romeo und Jabulile

Titel: Romeo und Jabulile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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heimkommt. Sofort bin ich wieder hellwach.
    Ohne Rücksicht poltern sie herein und knipsen die Glühbirne an, die in der Mitte des Zimmers an einem Kabel baumelt.
    »Sie ist hier!«, ruft er seinen Kumpels zu, die daraufhin in mein kleines, vom Hauptraum nur durch eine Pappwand getrenntes Zimmerchen trampeln, als wäre es ihres. Mindestens vier oder fünf von diesen Blödmännern.
    Ich versuche erst gar nicht, mich schlafend zu stellen.
    Lonwabo kommt unmittelbar zur Sache. »Ich kenne das Schwein. Du brauchst gar nicht zu lügen, Jabu!«, fährt er mich an. Woher sollte er Romeo kennen? Bisher haben wir uns nie in der Öffentlichkeit gemeinsam sehen lassen. Selbst als ich ihn einmal bei der Haltestelle der Kleinbusse traf, haben wir einander nur scheu gegrüßt, als würden wir uns kaum kennen, und dann auch nicht weiter miteinander geredet. Und Unathi? Nein, niemals würde sie mich verraten.
    Lonwabo muss meine Zweifel sehen. Triumphierend fährt er fort: »Es ist der Krüppel, der damals auf den Fußballplatz gehinkt kam, um dich anzugrapschen! Denkst du, ich bin blöd?«
    Wahnsinn, er hatte sich diese kleine Szene gemerkt und kombiniert, noch bevor ich selbst überhaupt wusste, wer der Junge war. Aber was weiß er noch? Sein nächster Spruch lässt mich zumindest für den Augenblick aufatmen.
    »Wir finden den Typ, egal wo er ist!«, ruft er angeberisch, und seine Mitläufer grinsen zustimmend. Zwei haben eine Panga in der Hand, die anderen verschieden lange Holzknüppel, was ich erst jetzt bemerke.
    »Du wirst uns jetzt zu ihm führen, Jabu!«, befiehlt er mi r – und zieht mir mit einem Ruck die Decke weg.
    In mir kocht eine unglaubliche Wut hoch. Dieser Spinner, der meint, mich als mein Bruder vor bösen Ausländern beschützen zu müssen, hat keine Hemmungen, mich vor seinen Kumpanen bloßzustellen und sogar halb nackt vorzuführen. Einen Moment versuche ich mein kurzes Nachthemd nach unten zu ziehen, damit mich die Blicke dieser Angeber nicht länger treffen.
    Dann jedoch ist mir alles egal, ich lasse mein Hemd los und schreie zurück: »Niemals werde ich dir verraten, wo er ist. Der Junge ist mehr wert als ihr alle zusammen!«
    Eine Sekunde ist es totenstill im Raum. Dann packt mich mein Bruder bei den Haaren und schubst mich gegen die Pappwand, die nachgibt und mit lautem Getöse über mir zusammenkracht. Bevor ich mich aufrichten kann, schlägt er mir mit der flachen Hand zweimal hart ins Gesicht. Ich spüre warmes Blut aus meiner Nase laufen. Seine sogenannten Freunde halten sich raus und glotzen nur.
    Ich bedecke mein Gesicht mit beiden Händen, um mich vor noch mehr Schlägen zu schützen. Aber er weiß nun anscheinend selbst nicht weiter.
    »Du wirst uns morgen zu ihm führen!«, wiederholt er großspurig und gibt dann seiner Meute das Zeichen zum Rückzug.
    Als alle draußen sind, stehe ich langsam auf. Mir ist schwindlig. Erst schaue ich im Hof, ob sie wirklich weg sind, bevor ich zum Außenklo wanke und mir vorsichtig das Blut aus dem Gesicht wasche. Wenn Makhulu hier gewesen wäre, hätte er sich das nie getraut.
    Anschließend räume ich die in Stücke gebrochene Pappwand so zur Seite, dass Vater nicht stolpert, wenn er aus der Shebeen nach Hause kommt.
    Mein Kopf dröhnt von den Schlägen. Viel mehr aber bedrückt mich, dass ich nicht weiß, wie ich Romeo am besten warnen kann, ohne meinen Bruder und seine Gang zu seiner Hütte zu locken. Bestimmt wird er mich jetzt kaum mehr aus den Augen lassen.
    Ich bin noch wach, als Vater gegen Morgen nach Hause kommt und leise über die zerstörte Pappwand flucht. Das letzte Mal ist sie umgekippt, als Makhulu ein zu schweres Jesuskreuz daran aufhängen wollte. Vermutlich denkt er sich etwas Ähnliches, wenn er überhaupt noch denken kann mit seinem alkoholschweren Schädel.
    Endlich, als das erste Tageslicht hereinscheint, falle ich doch noch in einen von wilden Träumen heimgesuchten Schla f …
    Am nächsten Morgen schlafen wir alle länger als sonst. Wann Lonwabo nach Hause gekommen ist, habe ich nicht mehr gehört.
    Beim Frühstück, das sich jeder selbst bereitet, reden wir kein Wort miteinander. Erst danach, als ich beim Abwaschen des Geschirrs bin, sagt Lonwabo zu Vater: »Weißt du, dass sich Jabu mit einem Simbo rumtreibt?«
    Vater bindet sich gerade eine Krawatte für die Kirche und versucht anscheinend, sich auf den Gottesdienst einzustimmen. Mit um Versöhnung bemühter Stimme sagt er: »Ich möchte nicht, dass du so von deiner Schwester

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