Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
auf meinen nackten Körper prasseln, blickte zu den Wolkenkratzern hinüber und fragte mich, wie viele dieser herumwieselnden, roboterhaften Menschen mich gerade anglotzten.
In einem Hochhaus zu arbeiten, sei auch eine Möglichkeit, jung zu sterben, würde meine jüngere Schwester Janie sagen. »Das ist, als würde man mit dem Fahrstuhl direkt in die Hölle fahren.«
Nach dem College ergatterte Janie eine Stelle als Werbetexterin für eine große Firma im neunundzwanzigsten Stock eines Hochhauses in Los Angeles und arbeitete dort zwei Monate, bis ihr wieselgleicher Chef auf Janies Schreibtisch das erste Kapitel ihres ersten Thrillers entdeckte.
Die Mörderin ist Werbetexterin in einer großen Firma im neunundzwanzigsten Stock eines Wolkenkratzers in Los Angeles. In den ersten Absätzen beschreibt sie anschaulich, wie sie ihren arroganten, herablassenden Chef umbringt, der ihr immer das Gefühl gibt, nicht mehr wert zu sein als eine Schnecke. Sie schildert, wie seine Leiche in der Müllpresse endet, die Beine gespreizt wie die eines Grillhähnchens, ein Fuß nackt, am anderen ein roter Stiletto. Das ist das Markenzeichen der Mörderin.
Niemand meldet ihn als vermisst, nicht mal seine Frau, denn alle verabscheuen ihn wie Kakerlaken in der Kaffeetasse.
Noch am selben Tag wurde Janie gefeuert, obwohl sie auf ihrer Unschuld beharrte. Am Nachmittag setzte sie sich hin und schrieb den Rest der Geschichte nieder, nonstop, drei Monate lang. Als sie ihre Wohnung schließlich wieder verließ, hatte sie zehn Kilo abgenommen, war leichenblass und redete vor sich hin. Nach vier Monaten hatte sie ihren ersten Autorenvertrag unter Dach und Fach. Als das Buch erschien, schickte sie ihrem ehemaligen Chef ein Exemplar und schrieb auf den Innentitel: »Danke, Sie Wichser! In Liebe, Janie Bommarito«.
Es wurde ein Bestseller.
Janie wurde zu einer Einzelgängerin, die unter Zwängen und Obsessionen leidet und all ihre sonderbaren Ticks ausleben muss.
Auch die Einzelgängerin hatte einen nach Zitrone und Blumen duftenden rosa Brief erhalten. Meine Zwillingsschwester Cecilia ebenfalls.
Der Regen prasselte auf mich nieder, der Wind hustete und pustete, und ich setzte mir den Kahlúa wieder an die Lippen. »Kahlúa – einfach herrlich«, sagte ich laut und beobachtete, wie das Wasser über meinen Körper lief und einen kleinen See in meinem Schritt bildete, wo ich die Beine gekreuzt hatte. Ich schlug mit der Hand hinein, ließ den See wieder volllaufen, schlug erneut hinein. Das unterhielt mich eine Zeitlang. In der Ferne sah ich einen Blitz, grell und gefährlich.
Er erinnerte mich an damals, als ich mit meinen Schwestern durch ein Gewitter gelaufen war, um Henry zu suchen, der sich in einem Baum versteckt hatte.
Ich lachte, obwohl jene Nacht gar nicht komisch gewesen war. Sie war furchtbar gewesen. Sie hatte mit einem Tanz an der Stange begonnen und mit glitschigen weißen Wänden geendet.
Wieder lachte ich, den Kopf im Nacken, bis ich weinte und mir heiße Tränen über die Wangen bis zum Kinn liefen, auf die Brust tropften und über den Bauch rannen. Sie landeten im See zwischen meinen Beinen, und ich schlug noch einmal in die Mischung aus Regenwasser und Tränen. Die Tränen wollten nicht versiegen, und ich spürte, wie die mir so vertraute Dunkelheit sich herandrängte wie ein wabernder Albtraum.
Ich wollte mich nicht mit dem rosa Brief beschäftigen, der nach ihrem blumigen, zitronigen Parfüm roch.
2. Kapitel
Sie hatte ein Messer in der Hand. Es hatte einen schwarzen Griff und eine gewaltige gezackte Klinge.
Wenn ein Messer böse sein konnte, dann war das hier das personifizierte Böse.
Mit einem nachdenklichen, distanzierten Ausdruck fuchtelte Janie mir damit vor dem Gesicht herum. Ich warf den Kopf in den Nacken und hielt die Luft an.
»Ich glaube, sie nimmt so was hier«, sagte Janie und stach in die Luft. »Das funktioniert ganz gut.«
Ich verdrehte die Augen und schob mich an ihr vorbei in ihr Hausboot, wobei ich darauf achtete, dem personifizierten Bösen auszuweichen.
»Du musst lächeln, wenn du durch meine Tür kommst, Isabelle.«
»Ich hab doch gelächelt.« Hatte ich nicht. Ich wischte mir den Regen vom Gesicht.
»Hast du nicht.« Meine Schwester stand mit verschränkten Armen neben der Tür, die blitzende Klinge in ihrer Hand wies zur Decke.
»Im Herzen habe ich gelächelt, Janie. Hinter der linken Herzklappe.«
Sie pochte viermal mit dem Fuß.
»Nicht zu fassen, dass ich das mit mir machen
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