Rosen für die Kaiserin
würde überdies bewaffnet durch die Gegend streifen? Außerdem stimmte das Alter.
Der junge König neigte den Kopf. »Es war mir eine Ehre, dir und deiner kleinen Schwester zu Hilfe zu kommen. Sie ist doch deine Schwester, nicht wahr? Zumindest ähnelt ihr einander sehr.«
Er sprach nicht wie ein Kind, sondern wie jemand mit hoher Bildung. Zudem wirkte er aufgeschlossener und heiterer als sein vorgeblicher Leibwächter.
»Ich heiße Jutta und möchte dir … äh, möchte Euch danken für Euer Erscheinen, König Otto.« Sie kam sich wie ein echter Bauerntrampel vor, zumal sie sich ihres zerissenen Kleides bewusst wurde, das den Blick auf weite Teile ihres Unterhemdes preisgab. Aber der König nahm keinen Anstoß daran, denn er lächelte gewinnend.
»Seid ihr aus dieser Gegend?«
»Nein, wir …« Jutta beschloss, die Gunst der Stunde zu nutzen. Der liebe Gott musste ihr den jungen König über den Weg geschickt haben. »Wir kamen eigens hierher, um mit der Kaiserin zu sprechen.«
Otto hob überrascht die Brauen. »Du willst zu meiner Mutter?«
Jutta nickte entschlossen.
»Nun, das dürfte im Augenblick nicht möglich sein.«
»Warum nicht? Weil ich nur ein Bauernmädchen bin?«
»Meine Mutter ist krank und empfängt derzeit keine Bittsteller.«
»Krank? Was fehlt ihr denn?«
Otto hatte offenbar Geduld mit ihr. »Sie hat hohes Fieber und muss das Bett hüten«, erklärte er nachsichtig.
»Ist es … schlimm?«
»Manchmal hat sie Fieberträume. Dann sieht sie Menschen, die schon lange von uns gegangen sind.«
»Oft sieht sie dann auch meine Mutter. Sie war ihre Kammerdienerin«, verkündete Luitger stolz. »Aber leider ist sie gestorben.«
Jutta dachte nach. Ihre Scheu war verflogen, nun war sie wieder ganz die Kämpferin. »Hat die Kaiserin denn eine neue Zofe?«
Luitger winkte ab. »Eutropia ist eine Schlafmütze. Kriegt nur selten den Mund auf. – He, da liegt was auf der Erde. Das haben die Räuber wohl verloren.«
Jutta folgte seinem Fingerzeig. Zwei Denare blinkten in der Sonne, daneben die silberne Haarspange. Wenigstens das war ihr geblieben. Noch während sie sich bückte, um alles an sich zu nehmen, kam ihr ein Gedanke. Entschlossen wandte sie sich dem jungen König zu.
»König Otto, es ist wirklich von großer Wichtigkeit, dass ich mit Eurer Mutter rede«, verkündete sie.
»Nun, wenn es ihr in ein paar Tagen besser geht …«
»Es ist wichtig, hört Ihr?«
Es war dem Knaben wohl noch nicht oft passiert, dass eine einfache Frau aus dem Volk ihn derart bedrängte. »Wenigstens könntest du mir sagen, worum es eigentlich geht.«
»Das kann ich nur Kaiserin Theophanu selbst verraten.«
»Wenn dein Vater den Pachtzins nicht aufbringen kann, dann wende dich …«
»Es ist nicht der Pachtzins!« Sie setzte alles auf eine Karte. »Es geht um … Eure Zwillingsschwester«, flüsterte sie.
Otto blieb der Mund offen stehen. Mit einem Mal wirkte er kaum noch majestätisch.
»Ihr habt richtig gehört«, setzte Jutta hinzu und hob beschwörend beide Hände. »Glaubt mir, ich treibe keine dummen Scherze mit Euch. Aber bitte, ich flehe Euch an, sorgt dafür, dass Eure Mutter mir eine Audienz gewährt! Nur ihr kann ich sagen, was es zu sagen gibt.«
»Also gut«, entgegnete Otto nach einer Weile, »ich will sehen, was ich für dich tun kann. Luitger, wir kehren zur Pfalz zurück, bestimmt suchen sie ohnehin schon nach uns. Das bedeutet mal wieder Ärger.«
»Ja, bestimmt. Dabei können sie sich doch denken, dass dein Leibwächter dich begleitet.«
»Völlig zu Unrecht halten sie dich für zu jung für diese Aufgabe, mein Prätorianer. Geleite die beiden Mädchen ins Gästehaus. Man soll ihnen frische Kleidung und etwas zu essen geben.« Er wandte sich wieder an Jutta. »Dort wirst du mit deiner Schwester warten, bis man dich rufen lässt.«
»Habt Dank, König Otto, das will ich tun. Aber sie ist nicht meine Schwester.«
Sie machten sich auf den Weg. Jutta blieb mit Magda ein paar Schritte hinter den beiden Knaben zurück. Wiljo hinkte mühsam neben den Mädchen her; beim Kampf mit den Strauchdieben hatte er sich offensichtlich einen Vorderlauf verstaucht. Jutta entsann sich der Hilfe, die der Hund ihr geleistet hatte. Wiljo war es zu verdanken, dass die silberne Haarspange in ihrem Besitz geblieben war. Die Spange war der Schlüssel für eine bessere Zukunft.
»Gut gemacht, alter Knabe.« Sie tätschelte Wiljos Kopf.
»Wieso hast du gesagt, dass ich nicht deine Schwester bin?«, fragte
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