Rosen und das Leben nach dem Tod u Rosen und zwei Leben
wieder in dieses dumpfe Brüten zurückgefallen. Und ich will wissen warum.“
Erneut nippte ich an meinem Glas. Allerdings mehr um meine Nervosität zu verbergen und ihn nicht spüren zu lassen, wie sehr mich sein Verhalten im Klub verängstigt hatte. Russel wollte nicht gleich antworten, das spürte ich. Es war eine Klippe, die ich umschiffen musste, denn wenn ich jetzt weitersprach, würde er niemals mit den Gründen für sein Verhalten herausrücken. Sein Blick fiel auf die Gegenstände zu meinen Füßen. So als hätte er sie jetzt gerade erst bemerkt, fixierte er die Seile und dachte augenscheinlich nach. „Ich werde dich nicht fesseln“, sagte er leise.
„Das will ich auch gar nicht“, gab ich zur Antwort. „Ich will wissen, was dich so durchhängen lässt.“ Russel schüttelte den Kopf. „Ich habe Zeit“, sagte ich, überschlug die Beine und sah ihn auffordernd an. Er lachte tonlos. „Sag mir lieber, was dich zu diesem drastischen Schritt geführt hat.“
Nun war es an mir tonlos zu lachen. „Versagen, was sonst.“ Er spielte mit seinem Weinglas in der Hand.
„In was versagen?“, hakte er nach.
„In allem“, gab ich freimütig zu. „Bei dir, im Job … mein ganzes Leben ist eine Ruine. Und du warst nicht da. Ich dachte, du hättest mich verlassen … im Stich gelassen …“ Russel wollte protestieren, doch ich brachte ihn mit einem Fingerzeig zum Schweigen. „Ich weiß, was passiert ist und wenn ich dort gewesen wäre, hätte ich es verhindern können. Also: Versagen! So kann ich nur versuchen, mich für die Dummheit der Bürokratie zu entschuldigen.“ Russel zuckte mit den Schultern. Trotzig. „Ist passiert und mein Anwalt war sein Geld wert.“
„Ist es das, was dich runterzieht?“ Kurz sah er von seinem Glas auf, dann schüttelte er den Kopf. „Nein“, flüsterte er. „Nein.“
„Ich sehe Leichen“, sagte er nach einer kurzen Pause. „Leichen in Seilen. Dekoriert mit Rosen, mit meinem Markenzeichen. Überall da, wo ich Seile und Knoten sehe, sehe ich die toten Frauen.“ Er stockte in seiner Erzählung und ich erschrak zutiefst. Während der Ermittlungen hatte ich nicht das Gefühl, dass ihn die Sache sonderlich mitnahm oder beeindruckte. „Es bin aber nicht ich, der diese Seile geknotet hat.“ Wieder stockte er, schüttelte den Kopf und sein Blick ging in die Ferne. „Jedes Mal, wenn ich nach dieser Sache ein Seil in die Hand genommen habe, dann fühlte ich mich verloren.“ Jetzt sah er mich an. Vorwurfsvoll. „Miss Amber hat mir mit ihren Morden und den falschen Verdächtigungen etwas genommen. Meinen Seelenfrieden. Sie hat mich beraubt.“ Erneut schüttelte er den Kopf. „Nein: Schlimmer. Sie hat mich getötet.“
Russel beugte sich nach vorne, hob eines der Seile auf und hielt es mir hin. „Wenn ich vor dieser Sache ein Seil in die Hand genommen habe, dann wusste ich, ich begleite jemanden auf seine Reise. Gebe ihm die Möglichkeit sich zu entwickeln. Konnte mich selbst dabei freimachen und …“ Er ließ sich zurückfallen, rieb sich über das Gesicht. „Sie hat mich getötet. Einfach so.“
Mein Mund war trocken, so trocken, dass ich das Glas in großen Schlucken leeren musste, um überhaupt wieder sprechen zu können. Aber was sollte ich sagen? Amber hatte nicht nur die Frauen auf dem Gewissen. Sie hatte den Mann vor mir zerstört. Und weil er das wusste, suchte er nach einem Weg wieder zurückzufinden zu dem, was er einmal war. Ich verstand und es machte mich sprachlos.
Hilflos sprang ich auf, stellte mein Glas auf dem Wägelchen ab. Ratlos lief ich auf und ab. Was sollte ich da tun? Das hier war meine Bewährungsprobe. Wie sollte ich, die sonst nie mit echten psychiatrischen Fällen zu tun hatte, diesem Mann helfen, der sich in den letzten Wochen darüber bewusst wurde, dass er ein Opfer war – wie sollte ich ihn zurückholen? Ich ging zum Kamin. Plötzlich waren meine Hände kalt geworden und ich streckte sie zum wärmenden Feuer. Meine Finger waren gespreizt und als ich sie vor den flackernden Lichtschein hielt, wusste ich was ich zu tun hatte. Energisch ging ich zurück. „Warst du schon einmal auf der anderen Seite?“, fragte ich ihn. Russel sah mich an. „Andere Seite?“, fragte er zurück. Ich nickte.
„Ich glaube, wir beide sollten ein Experiment wagen.“ Aufmunternd lächelte ich ihn an, reichte ihm die Hand und zog ihn vom Stuhl hoch. „Würdest du mir den Gefallen tun und dich entkleiden?“
„Spinnst du jetzt vollkommen?“ Ich
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