Rosen und das Leben nach dem Tod u Rosen und zwei Leben
mich an. „Ich zahle, Sie fahren“, gab ich zur Antwort. Innerlich schmunzelte ich: Londoner Taxifahrer trödelten immer. Aber das sie jemand dazu aufforderte war eher selten. Der Mann machte seinen Job gut. Verdammt gut. Eine Stunde benötigten wir für die Fahrt, die unter normalen Bedingungen gerade einmal 15 Minuten in Anspruch nahm. Noch während ich zahlte, versuchte ich auszumachen, ob mein kleiner Plan funktioniert hatte.
Die große Eingangstür war nur angelehnt. Ich schob sie auf und betete, dass sie dieses Mal nicht so ein schreckliches Geräusch machen würde. Sie tat mir den Gefallen. Auf Zehenspitzen schlich ich in die Eingangshalle, holte noch einmal tief Luft und betrat den Raum zu meiner Linken. Mr. Smith hatte noch etwas Hand angelegt. So begrüßte mich ein flackerndes Feuer im Kamin. Ein paar mehrarmige Kerzenleuchter waren strategisch so platziert, dass sie den Raum in mystisches Licht tauchten. In der Mitte standen unverändert die zwei Stühle, die ich so gestellt hatte, dass die beiden Personen von Angesicht zu Angesicht darauf Platz nahmen.
Daneben stand Russel. Ich atmete erleichtert aus. Wenigstens an seiner Neugier konnte ich ihn packen. Für einen Moment lehnte ich in der Tür und betrachtete ihn. Nachdenklich und mit hängenden Schultern stand er dort. Er war ein Schatten seines Selbst. Nichts erinnerte mehr an den selbstbewussten, großgewachsenen Mann, der einem mit einem einzigen Blick das Blut in Wallung bringen konnte. Der mit seinen Händen dem Begriff Lust neue Bedeutung geben konnte. Nichts war mehr vom alten Russel Linney zu sehen. Aber zumindest war er da. Langsam betrat ich den Raum und die Geräusche, die meine Schritte auf dem Parkett machten, ließen ihn den Blick heben. Himmel, er war immer noch so schön und diese Traurigkeit, die sein Gesicht widerspiegelte, vermischt mit dieser alles ergreifenden Lethargie, ließ ihn nur noch schöner erscheinen. „Miss Maisie“, sagte er mit einem schwachen Lächeln um die Lippen. „Mr. Smith hat mich bereits über Ihren Identitätstausch in Kenntnis gesetzt.“ Er kam mir entgegen, reichte mir seine Hand und hauchte mir einen Kuss auf meine. „Was soll das hier, Rosie?“ Ich lächelte. „Das musst du deinen beflissenen und besorgten Butler fragen. Ich bin nur ausführendes Glied in einer Kette.“ Er war nah an mich herangetreten und ich kämpfte gegen seine magische Anziehungskraft an. Ein Wort von ihm und ich hätte mich ihm ohne Wenn und Aber hingegeben. „Sehr erwachsen“, dachte ich.
„Es gibt nichts, worüber er sich Sorgen machen müsste“, versuchte er abzulenken, während seine Hand an meiner Taille entlang glitt, um mich einen Atemzug später vollends in Beschlag zu nehmen. Ich schloss die Augen und für diesen Moment genoss ich seine Nähe. Dann riss ich mich zusammen und schob ihn langsam von mir fort. „Dass sehe ich anders“, sagte ich, nahm seine Hand und führte ihn zu den Stühlen. „Setz´ dich.“ Skeptisch sah er mich an, tat aber worum ich ihn bat.
„Wird das jetzt eine Therapiesitzung?“, fragte er spöttisch.
„Wenn du das so nennen möchtest“, entgegnete ich und setzte mich ihm gegenüber. Kaum hatten wir unsere Plätze eingenommen, da betrat Mr. Smith den Raum durch den Zwischengang, in welchem sich Miss Amber zu verstecken pflegte, wenn sie unsere Ermittlungen beobachten wollte. Er schob einen Dessertwagen herein, auf dem eine Flasche Wein und zwei Gläser standen. Mit einem Nicken verabschiedete er sich. Russel sah ihm hinterher, dann beugte er sich vor und schenkte uns ein. „Das bekommt man bei einer Therapiesitzung für gemeinhin nicht“, sagte er, als er mir ein Glas reichte. Ich roch daran und das Bouquet breitete sich auf meinen Geschmacksnerven aus. Es war eine willkommene Ablenkung zu seinem Geruch, seiner Wärme und seiner Anwesenheit. Vorsichtig nippte ich am Glas und ließ die kühle Köstlichkeit meine Sinne benebeln.
„Warum hast du den Klub verlassen“, fragte ich ihn, sah ihn dabei aber nicht an. Behutsam drehte ich das Glas in meinen Händen und der Wein darin schimmerte wie ein wertvoller Rubin in allen Facetten, die das Kerzenlicht ihm entlocken konnte. „Es war … langweilig.“
„Das glaube ich dir nicht.“ Meine Entgegnung schien ihn zu verwirren. Prüfend sah er mich an.
„Du wolltest es sehen und als sie dir das boten, was du sehen wolltest, hast du das Interesse verloren und als wäre dir etwas abhanden gekommen, das du vermisst hast, bist du
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