Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
plötzlich eine dunkle Gestalt aus dem Fenster des kleinen Wächterhauses.
»Jetzt«, zischte Durine. Etwas regte sich in dem weiter entfernten Unterstand.
Die Tür öffnete sich, und der zweite Posten trat auf den Wehrgang hinaus.
»Los.« Zwei Bolzen surrten in die Nacht und verschwanden in der Dunkelheit. Jason war sicher, daß Durines Geschoß den Hals des Sklavenhändlers durchbohrte und ihn an die Wand des Unterstandes nagelte.
Man konnte erkennen, daß der Mann sich noch bewegte, und Durine schoß ihm einen zweiten Bolzen durch die Brust.
»Gehen wir runter«, meinte Durine, während er die Armbrüste nachlud und anschließend die Winde und den Köcher mit den Bolzen an seinen Gürtel hängte.
Es war nicht ganz einfach, mit einer gespannten Armbrust in jeder Hand die Stiegen hinunterzugehen, doch nach wenigen Minuten stand sie an der Hintertür des Anwesens. Sie öffnete sich einen Spalt, eben weit genug, um sie hindurchschlüpfen zu lassen.
Walter Slowotski stand vor ihnen und lächelte in dem matten Schein der Glühstahllampen. Er rückte an der Pistole an seiner rechten Hüfte.
»Und jetzt?« fragte Durine.
»Jetzt gehen wir und ermorden ein paar Sklavenhändler in ihren Betten.«
Mit einem flauen Gefühl im Magen erwiderte Jason Slowotskis Lächeln.
Sie standen vor der verriegelten Tür zu den Sklavenzwingern, während Jason nach dem passenden Schlüssel suchte. Er war als Anfänger in diese Art Leben hineingeschlittert, jetzt war er ein blutiger Anfänger: Sie hatten sechs schlafende Männer getötet. Walter Slowotski durchschnitt ihnen die Hälse, während sie auf ihren Pritschen lagen, und Jason und Durine standen mit gespannter Armbrust an der Tür, um jedem einen Bolzen in den Leib zu jagen, der zu erwachen drohte.
Doch es war keiner aufgewacht; Slowotski konnte sie mühelos vom Schlaf in den Tod hinüberbefördern; lautlos, bis auf ein leises Röcheln.
Von dem Schlafraum mit den Blutlachen auf dem Boden waren sie durch eine Schwingtür in die Küche getreten, wo fünf Gildemänner redend und trinkend an einem Tisch saßen. Sie waren aufgesprungen, nur um augenblicklich von Bolzen und Schwertern gefällt zu werden.
Drei von ihnen war es gelungen, zu den Waffen zu kommen. Jason erinnerte sich an den einen, der mit verzweifeltem Wimmern versucht hatte, Slowotskis Hieb abzuwehren, nur um von einer Schwertklinge aufgespießt zu werden. Ein zweiter hatte mit erhobenen Händen um Gnade gefleht; Durine zerhackte sein Genick wie ein Holzfäller einen beliebigen Klotz.
Nur Zahlen. Nicht mehr. Sechs schlafende Männer, fünf Männer um einen Tisch, drei schrien, einer wimmerte, ein anderer flehte um sein Leben: elf Männer, die starben. Nur Zahlen.
Endlich fand Jason den Schlüssel, der in das Schloß der Tür paßte. Seltsamerweise hatte sie keinen Griff. Durine stand hinter ihm und hielt sich bereit, die Tür. mit einem Tritt aufzusprengen, sollte es nötig sein.
Walter Slowotski zog die Stirn in Falten, er hob die Hand. »Warte«, gab er Jason durch Lippenbewegungen zu verstehen und strich mit den Fingern am Türrahmen entlang bis zum oberen Querholz.
Als er mit den Fingern über den Eichenbalken tastete, verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln.
Er winkte Jason zurück. Slowotski zog einen dünnen Metallstift aus der Gürteltasche, schob den Stift durch den Griffring des Schlüssels, befestigte ihn mit einem Stück Schnur und band eine zweite Schnur an das überstehende Ende des Diebshakens, schlang sie ein paarmal um den Schlüssel und trat zurück.
Er winkte Jason und Durine zu sich. »Der Balken über der Tür ist kein Balken«, flüsterte er so leise, daß man ihn kaum zwei Schritte weit hören konnte. »Wir haben es mit einer Falle zu tun. Meiner Ansicht nach wird er herunterfallen, sobald jemand den Schlüssel dreht. Aber ich möchte sichergehen; vielleicht ist es so eingerichtet, daß der Balken beim Öffnen der Tür niederbraust. Also, Durine, paß auf dein Bein auf.«
Mit einem Kopfnicken bezog Durine seinen Posten, allerdings nicht wie vorhin genau unter dem Türrahmen.
Jason zog den Revolver, klappte die Trommel aus und stieß eine Patrone in die leere Kammer. Slowotski folgte seinem Beispiel. Falls tatsächlich Sklavenhändler hinter der Tür lauerten, konnten sechs Schuß pro Waffe den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.
Slowotski zog an der Schnur. Langsam drehte sich der Schlüssel im Schloß. Ein leises Klicken ertönte.
Durine, das Schwert in der rechten
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