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Rosenpsychosen

Rosenpsychosen

Titel: Rosenpsychosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna-Maria Prinz
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Tod war echt und holte sie ein, würde sie ihr Leben lang einholen, man konnte nicht vor ihm flüchten. Aber vor einer Therapie konnte man flüchten und am Ende vielleicht doch vor sich selbst. Vor seinen Kindern auch, die ganz sicher unbeschwerter spielten, säße ihnen nicht eine starräugige sogenannte Mutter gegenüber, und die leichtherzig aufwachen konnten, wenn sie sie morgens nicht auf dem Küchenfußboden vermuten mussten. Ihre Mutter, die mit sich selbst einen nicht zu gewinnenden Kampf ausfocht, anstatt Frühstück zu machen.
    Sie trank in einem Zug aus und stand auf. »Es tut mir echt leid, wenn ich Sie bei einem netten Abend gestört habe. Sie sind genauso unecht wie ich. Es gibt entweder nur Echtes oder gar nichts. Ich mag Sie, warum, weiß ich aber nicht so genau. Sie sind vor lauter Authentizität erst recht ein Plagiat. Ein gutes aber. Ich bin jetzt geheilt, wissen Sie. Adam ist tot und Lilie auch. Von dem habe ich Ihnen gar nicht viel erzählt, macht aber auch nichts. Ganz schön viele Tote heute, was? Relativ zur Weltbevölkerung natürlich ganz schön wenige. Tja. Ich werde weder zu der einen noch zu der anderen Beerdigung gehen. – Jetzt gucken Sie nicht so. Ich fühle nichts und will mich durch Sie auch nicht dazu verleiten lassen. Aber es ist gut, Sie müssen mir jetzt nicht panisch hinterherrennen. Ich gehe brav nach Hause und sehe mir einen hochtrabenden Film an. ›Sissi‹, Teil drei, genau. Wissen Sie, den, in dem sie so krank wird und sich im Süden auskurieren muss. Jedes Mal hoffe ich, sie fängt doch noch vorher in Ungarn eine Liebesbeziehung mit dem Grafen Andrássy an. Ist so schön weit weg von Wien, da könnte sie sich diese eineLiaison doch mal leisten, oder? Und wie die böse Schwiegermama immer empört die Hände vor der Brust zusammenschlägt und zu ihrem Sohn sagt: ›Ja, aber Frrrranz!‹ Super ist das. Die Erzherzogin Sophie, wissen Sie. So eine fiese Schnalle! Erst nimmt sie Sissi das Kind weg, und als Sissi todkrank ist, sagt sie dem Franzl, er solle sich schon mal nach einer neuen Frau umsehen. Ich meine, praktisch war sie ja schon. Aber Franzl verbittet sich natürlich diese Impertinenz. Und dann klatscht sie wieder in die Hände und ruft: ›Ja, aber Frrrranz!‹ Zu schön.«
    Marie ging zur Bar und sagte Dima, mit dem Kopf Richtung Helene zeigend, die Dame zahle bestimmt für sie mit.
    Helene sah noch einige Zeit auf die schwere Tür, die hinter Marie wieder ins Schloss gefallen war, und bestellte sich einen Kir. Sie wusste, sie war nicht mehr die Richtige für Marie. Sie mochte sie, hätte sie gerne in den Arm genommen, doch das durfte sie nicht. Auf Dimas Frage, was los sei, antwortete sie: »Nichts.«
    Als Marie nach Hause kam – es war zwei Uhr morgens –, saß Martin auf der Recamiere im großen Flur. »Deine Mutter hat mich angerufen. Ich dachte, ich schau mal nach, wie es dir geht.«
    »So, dachtest du. Wie war der ›Ring‹?«
    »Bin eingeschlafen, wie du es vorausgesehen hast.«
    Marie lachte und setzte sich zu ihm. Er legte den Arm um sie. Sie wollte nicht, fing aber trotzdem einfach an zu heulen.
    Beide bemerkten Maries Mutter nicht, die leise hereinkam. Sie stand da im Nachthemd und fing nun auch an, in ihr Taschentuch zu schnäuzen. Als Martin sie bemerkte, rückte er etwas zur Seite, um Platz für sie zu machen, wobei er Marie mit seiner Hüfte ebenfalls weiterschob.
    »Wann willst du es Pasi sagen?«, fragte Maries Mutter.
    »Meinst du, ich muss es ihr überhaupt sagen? Vielleicht hat sie sich einfach daran gewöhnt, dass er sich nicht meldet. Könnte man es nicht dabei belassen?«
    »Nein«, sagte Martin, »du musst es ihr sagen. Sie muss es wissen und damit umgehen lernen.«
    »Ist das schwer«, seufzte Marie. Sie sah auf den Fußboden und hoffte, sie würde es schaffen, so wie man das Meiste schaffte, von dem man gedacht hatte, man schaffe es nicht.
    »Ja, das ist schwer«, sagte ihre Mutter und versuchte, sich das Weinen zu verkneifen. Sie wusste, wovon sie sprach, genau wie ihre Mutter es damals gewusst hatte.
    Noch ein Nachthemd betrat den Flur, es war Pasi, die nicht schlafen konnte. Marie, ihre Mutter und Martin rückten abermals, um Platz zu schaffen. Es war wie mit dem guten Pilz, der erst nur einem und dann, weil er wächst, ganz vielen Tieren Schutz vor dem Regen bietet. Pasi sah erst verschlafen, dann wach werdend und fragend auf ihre drei traurig dreinschauenden Vertrauten. Dass sich Pasi einen Platz neben Oma aussuchte anstatt neben

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