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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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Sie wand sich. Ein Wurm am Haken einer Leiche.
    »Auf welche Art hat er sich verändert?«
    »Zuerst ist er weicher geworden. Er hat sich mit Lyrik beschäftigt. Bis dahin hatte er Gedichte nur im Zusammenhang mit Schreibtherapien für Psychotherapie-Patienten relevant gefunden und über die depressive Ader österreichischer Poeten geschimpft. Auf einmal fing er an, deren Strophen zu fröhlichen Versionen umzudichten. Aus Rainer Maria Rilkes ›Herbsttag‹ wurde ›Frühlingstag‹. Ich habe ihm gesagt, er solle doch einen kleinen Band mit solchen Umdichtungen machen. Doch er schrieb zum ersten Mal in seinem Leben nur zum Spaß statt für Geld.«
    »Haben Sie die Gedichte gelesen?«
    »Ich hatte immer gehofft, dass er auch für mich eines schreiben würde. Leider vergeblich.«
    Hanna Goldmann atmete jetzt schwer, als würde sie einen Berg erklimmen.
    »Was ist als Nächstes geschehen?«, fragte Albin.
    »Aus heiterem Himmel kam es zwischen uns zu so etwas wie einem Abschied. Es war absurd. Ausgerechnet jetzt sprach er zum ersten Mal von einer Beziehung zwischen uns. In einem anderen Zusammenhang, als ich es mir immer gewünscht hatte. Er meinte, dass aus unserer Beziehung nun reine Freundschaft werden müsse.«
    »Was verstand er darunter?«
    »Fernsehen statt Sex nach dem Essen. Er sagte, ich wäre ihm in den letzten Jahren extrem wichtig geworden. Er könnte sich ein Leben ohne mich kaum noch vorstellen. Doch er hielt es für einen Fehler, wenn wir weiterhin miteinander schliefen.«
    »Wie hat er das begründet?«
    »Mit unseren Streitereien. Er meinte, Sex zwischen Menschen, die sich auch sonst nahe sind, wäre eine Büchse der Pandora. Wenn man sie aufmacht, kämen Ungeheuer heraus. Unser Zank würde aufhören, sobald wir nicht mehr miteinander schliefen.«
    »Und Sie?«
    »Ich habe ihn einen Vollidioten genannt.«
    »Haben Sie sich danach noch gesehen?«
    »Er ist weiter zu mir gekommen und wir haben tatsächlich nicht mehr miteinander geschlafen. Ich habe nach einer Erklärung gesucht. Dann ist er verschwunden. Und jetzt erzählen Sie mir von einem Smaragdring und einer toten Frau.«
    »Was denken Sie?«
    »Dass er mit einer anderen zusammen war und mich blöde Kuh weiter für seine Bequemlichkeit ausnutzen wollte. Nüchtern betrachtet sah ihm so etwas ähnlich. War sie hübsch?«
    Albin ging nicht auf ihre Frage ein. »Haben Sie ihn damals nach einer anderen Frau gefragt?«
    »Er hat nie klare Antworten gegeben. Er hat gesagt, er kenne einige andere Frauen. Das sagte er immer in solchen Fällen. Er hat nie direkt gelogen. Wie hat sie ausgesehen?«
    Albin erinnerte sich daran, dass Hanna Goldmann beim Lachen mehrmals die Zungenspitze in den rechten Mundwinkel geschoben hatte. Waren das die Ticks der Perversen? »Ich habe sie nur einmal gesehen«, erwiderte er. »Da hatte sie Erde in den Haaren.«
    Keine Antwort. Kein Rauschen mehr im Hörer. Die Verbindung war weg. Das Antennen-Zeichen am Telefon zeigte keinen Empfang mehr, als wäre der Antennenmast gefällt worden. Eine Sekunde lang war es, als hätte er Hanna Goldmanns Anruf so wie Markovics’ Flötenspiel unter dem Heidentor nur geträumt.
    Sarahs Stimme schreckte ihn auf. »Du hast dich wie ein Profi angehört.«
    »Sie wollte mich aushorchen.«
    Arko war mit einem Bein in die Schlinge der Leine geraten und Albin befreite ihn. »Sie wollte wissen, wie sehr Markovics sie wirklich betrogen hat.«
    »Sie tut mir Leid.«
    »Kann die Eifersucht einer Frau über den Tod hinaus reichen?«
    »Vielleicht, wenn sie gedemütigt wurde.«
    Beim Tierheim trottete Arko folgsam durch das Gatter in seine gewohnte Welt. Albin und Sarah sahen ihm irritiert nach. »Hunde begrüßen Menschen, verabschieden können sie sich nicht von ihnen«, erklärte die Tierpflegerin, die zu ihrer Kleiderschürze jetzt olivgrüne Gummistiefel trug.
    »Er ist sauer, weil wir ihn zurückbringen«, sagte Sarah.
    »So schlecht ist es hier auch wieder nicht«, widersprach die Pflegerin.
    Wenn das so weiterging, würde er Arko eines Tages behalten, dachte Albin. Wenn es Sarah so wollte, würde er wohl weich werden. Er wäre dann nicht mehr nur Ex-Sträfling, Konsumverweigerer und Wirtschaftsjournalist mit einem mörderischen Hobby, sondern auch noch ein Findelkind mit einem Findelhund.
    »Woran denkst du?«, fragte Sarah, als sie wieder im Auto saßen.
    Albin hielt nach der Polizei Ausschau, die sie vielleicht wegen des Anrufs aus dem Fotostudio verfolgte. »An ein Restaurant, in dem wir essen

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