Rot Weiß Tot
nahm ihr den Mantel ab.« … Meine Augen gewöhnen sich nicht an die Finsternis«, sagte Markovics eben. »Dunkle Vorhänge. Das Flurlicht unter der Ritze der Tür verschwindet, als die Tür zum Vorzimmer geschlossen wird. Ein grüner Schimmer im Raum …«
»Ist das ein Hörspiel?«, fragte Sarah und schwenkte ein in weißes Seidenpapier gewickeltes Paket durch die Luft.
« … Unsere Opfer stehen nicht in den Mordstatistiken. Sie stehen in der Liste verschwundener Personen. Ich lache wieder …«
»Das ist das Tonband der Polizei. Die Stimme von Ronald Markovics. Eigentlich darf es niemand hören.«
»Es ist ohnehin eine Fälschung«, sagte Sarah nebenbei. »So formuliert kein Mensch, der sich in Lebensgefahr befindet.«
»… Ich weiß nichts von irgendwelchen Unterlagen«, sagte Markovics gerade. »Ich habe wirklich keine Ahnung. Sie wissen es, sagt die Frauenstimme. So eine Scheiße, denke ich …«
Albin schaltete die Anlage ab. »Vielleicht kann ein Werbetexter auch in der Not nicht anders, als pointiert zu formulieren.«
Sarah schien an dem Thema nicht weiter interessiert. Sie machte das Paket auf. Es enthielt ein Hundehalsband aus rotem Leder. Sie zeigte Albin das daran hängende Schildchen mit dem eingravierten Namen Arko. »Es ist furchtbar kitschig«, sagte sie mit unübersehbarer Begeisterung.
Übernahm man durch so ein Halsband Verantwortung für einen Hund? »Er wird sich freuen«, sagte Albin.
»Wahrscheinlich ist ihm sein Halsband egal.«
Albin stellte sich vor, wie Arko unter einem Bauchtrainer hervorkroch und wedelnd zur Tür lief, wenn Sarah kam. In die Redaktion konnte Albin ihn allerdings nicht mitnehmen. Außerdem war seine eigene Zeit hier vorbei. Niemand wusste, wo er in ein paar Wochen wohnen würde. »Ich muss wahrscheinlich ausziehen«, sagte er.
Sarah rührte das wenig. »Du findest etwas Besseres.«
»Bleibst du heute Nacht?«
Sarah schüttelte den Kopf. »Ich muss wieder gehen. Ich wollte dich nur kurz sehen und das Halsband dalassen. Für unseren nächsten Ausflug.«
In der Nacht vertrieb der Wind die Herbstnebel. Am Morgen hing nur hoch oben eine durchschimmernde Wolkendecke. Albin brach viel früher als sonst in Richtung Redaktion auf. Die U-Bahn war noch unangenehm voll, doch das nahm er in Kauf. Er wollte ungestört von Vogel mit Chefinspektor Damian Bergmann telefonieren.
Albin wollte dem Gespräch seine volle Aufmerksamkeit widmen, um den Polizisten nicht allzu oft nerven zu müssen. Er durfte seine wichtigste Informationsquelle nicht überreizen. Wenn er alles richtig machte, konnte aus dem allmählich entstandenen Vertrauen trotz seiner Vorbehalte gegenüber Uniformierten zumindest noch eine Art Kampfgemeinschaft werden.
Die Vorstellung, gleich inmitten einer kleinen Herde von Bürohengsten aus der U-Bahn in Richtung Dornbacher Hochhaus zu trotten, machte ihn dennoch krank. Spontan sprang er schon in der Station Donauinsel auf der Reichsbrücke aus dem Waggon, statt wie sonst bis zum Vienna International Center zu fahren. Das Wasser des unter ihm träge dahinziehenden Stroms verlockte ihn dazu. Es sah nach Freiheit aus.
Die Station hatte einen Ausgang zu einem Fuß- und Radweg, der unterhalb der sechsspurigen Fahrbahn über den Fluss führte. Während andere Fahrgäste missmutig an ihm vorbeidrängten, trat Albin dort an das Geländer und griff nach dem Telefon. Er blickte zu den steinernen Brückenpfeilern hinab, an denen sich das trübe Wasser teilte. Er stellte sich vor, dass der Fluss unter ihm stillstand, während er selbst auf einem Schiff fuhr.
Chefinspektor Bergmann war allerbester Laune. »Herr Redakteur! Welche Ehre zur frühen Stunde. Gibt es Neuigkeiten, oder wollten Sie mich das auch gerade fragen?«
»Sie scheinen ein Morgenmensch zu sein.«
»Vor mir liegt ein Bürotag. Er ist bisher unbefleckt von Auswärtsterminen. Ich muss nur einmal ins Domcafé, doch das ist inzwischen schon fast wie im Büro bleiben.«
Albin sah einer Möwe zu, die unten im Wasser landete. Die einfahrende U-Bahn aus der Gegenrichtung verschluckte ihr Kreischen. »Ich hoffe, Sie fühlen sich noch nicht ausgenützt«, sagte er.
»Ich dachte, Hartnäckigkeit sei unter Journalisten Ehrensache. Und Sie entschuldigen sich dafür?«
»Nur, um Sie mir gewogen zu halten. Wissen Sie schon etwas über die Herkunft der SMS?«
»Ein Wertkartentelefon, das vor drei Monaten in einem Elektro-Supermarkt verkauft wurde.«
»Was ist mit Olga Dada?«
»Der violette Toyota war ihr
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