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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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den Heldenepen ihrer Jugend nachhingen?
    Daniel steckte den Kopf zur Tür herein und flüsterte, dass May ihn sprechen wolle. Albin nickte. »Wann können wir uns treffen?«, fragte er Gregoritsch.
    »Ich kuriere eine Grippe aus. Mir wurde ohnedies schon langweilig. Was halten Sie von heute Abend? Sagen wir, sieben Uhr?«
    »Wo?«
    »Sie könnten wieder zu mir kommen«, sagte Gregoritsch. »Andererseits ist der Weg weit und Wien hat so viele schöne Kaffeehäuser. Passt Ihnen das Sperl in der Gumpendorfer Straße?«
    Albin war einverstanden.
    Auf dem Weg zu May besorgte er sich einen Heftspiegel, auf dem in kleinen Rechtecken alle Seiten der kommenden Ausgabe nebeneinander aufgereiht, nummeriert und mit der Bezeichnung des jeweiligen Ressorts überschrieben waren. Die Inserate waren farbig dargestellt, auf den redaktionellen Seiten standen Kurzbezeichnungen der dort vorgesehenen Artikel. Im Chronikressort war eine Seite mit dem Stichwort »Heidentor« versehen.
    Vor Mays Büro lehnte Ursi Plank an einem Wandschrank und las die Mittwochsmagazine. May hatte die Füße am Schreibtisch und blickte zum Fenster hinaus. »Ich habe dich schon gesucht«, sagte der Chronikchef zu Albins Spiegelbild in der Scheibe. Er schwang herum. »Deine Geschichte ist vorläufig noch eingeplant. Was haben wir bis jetzt?«
    »Das Foto …«
    »Das hatten wir schon am Montag«, unterbrach ihn May sofort. »Wer wurde verhaftet?«
    »Der Mann wurde wieder freigelassen oder wird es demnächst.«
    »Was weißt du über die Opfer?«
    »Sie arbeiteten für die gleiche Agentur.«
    »ID-Kommunikation …«
    »Genau.«
    »Also kein blindwütiger Serienkiller«, sagte May gelangweilt.
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Das ist schlecht. Gibt es neue Verdächtige?«
    »Keine konkreten.«
    »Klingt etwas dünn. Wir haben wenig Platz. Bei dem Stand der Dinge nimmst du am besten irgendeine Facette heraus und schreibst eine Kurzmeldung.«
    »Es gibt noch die Tonbänder.«
    »Das hat noch niemand geschrieben?«
    Albin schüttelte stolz den Kopf.
    »Was bedeuten die?«
    »Das weiß niemand.«
    »Dann kannst du sie für die Kurzmeldung verwenden.«
    »Der Verhaftete heißt Ralf Stern und arbeitete früher ebenfalls für ID-Kommunikation.«
    »Stern?«, sagte May. »Dieser Stern, den wir auf der Medienseite im Porträt haben? Der nichts sagt, außer dass er irgendeine Zahnpasta für die beste der Welt hält?«
    Albin nickte wieder.
    »Ein irrer Typ«, sagte May. »Schräger Bursche. Gute Geschichte. Den patzen wir sicher nicht mit so einer Blutoper an. Das passt nicht zusammen.«
    Ursi Plank winkte May zu und verließ den Zeitungstisch. Offenbar arbeitete sie an dem Stern-Porträt.
    Albin stand auf und dachte an sein Gehalt. In ein paar Monaten würde er genug gelernt haben, um auch überall sonst arbeiten zu können. »Falls sich noch etwas Neues ergibt, melde ich mich.«
    »Du bist hoffentlich nicht sauer«, sagte May. »Wir brauchen einfach Neuigkeiten, Neuigkeiten, Neuigkeiten.«
    Das Wort schien ihn in eine Art Rausch zu versetzen.
    Auf dem Weg zum Aufzug blickte Albin nicht zurück. Er fürchtete, May könnte den Ärger und die Enttäuschung in seinem Gesicht sehen. Den ganzen Tag vergrub er sich in den Recherchen für den Wirtschaftsteil. Zwischendurch kaufte er sich in einem Telefonladen in der Kärntner Straße ein Wertkartentelefon, dessen Nummer er tunlichst vor Bergmann geheim halten würde.
    Kurz nach sechs Uhr brach er zum Café Sperl auf. Seine Pläne hatten sich geändert. Er wollte nicht mehr nur über die Mordfälle Ronald Markovics und Olga Dacia berichten. Er wollte dabei schneller sein als Bergmann, Ursi Plank und alle anderen Polizisten und Journalisten dieser Welt. Beim Betreten des Kaffeehauses fragte er sich, ob er bereits auf dem Weg zum Karrieresüchtigen war, der in einer Dreizimmerwohnung mit Kabelfernsehen lebte und monatlich Kreditraten für einen Kompaktwagen mit ökonomischem Dieselmotor überwies.

 
    Kapitel 12
     
    Albin merkte sich für sein Buch das Lächeln des Cafetiers vor, der gegenüber dem Eingang hinter einer Kasse und einem Berg von Bestellzetteln saß. Der hagere Mann mit den hellgrauen Haaren nickte ankommenden Gästen zu, als kenne er sie aus einem ihrer früheren Leben, in dem es das Café Sperl auch schon gegeben hatte.
    Albin suchte Gregoritsch zuerst rechts bei den Billardtischen, die mit ihren unbefleckten Bezügen wie leuchtend grüne Oasen inmitten der patinierten Gemütlichkeit lagen. »Kann ich Ihnen

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