Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
Vom Netzwerk:
sieht er gut aus. Ich nehme einen.«
    Die Kellnerin nickte lächelnd, halb zustimmend und ein wenig verlegen. Albin nahm ebenfalls Apfelstrudel.
    »Sie wollen wissen, wer solche Morde begehen könnte?«, fragte Gregoritsch, als sie wieder allein waren. »Es muss ein Zyniker sein.« Der Lektor tat, als wäre das schon die halbe Lösung des Rätsels. »Ein Zyniker mit Sinn für Kunst.«
    »Die Opfer haben sich gekannt«, wandte Albin ein.
    »Es gibt viele künstlerische Konzepte.«
    »Was bedeutet dieses Tonbandprotokoll?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Woher wissen Sie, wie die zweite Leiche gefunden wurde?«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie mich verhören wollen«, sagte Gregoritsch. »Sonst hätte ich eine Lampe mitgebracht.«
    »So war es nicht gemeint.«
    »Kein Problem. Verdächtige stehen im Mittelpunkt, und wie Sie wahrscheinlich schon bemerkt haben, stehe ich gerne im Mittelpunkt. Zumal ich weiß, dass ich am Ende nicht als Mörder hinter Gitter wandern werde. Wollen Sie mein Alibi wissen? Der Kripo-Mann, der mir von der zweiten Tat erzählte, fragte mich danach.«
    »Und?«
    »Ich habe keines. Ich war daheim und habe geschlafen. In beiden Fällen. Niemand kann das bestätigen. Der Beamte hat sich alles stumm notiert.«
    »Wie hieß er?«
    »Damian Bergmann.«
    Albin konnte sich eine abfällige Geste nicht verkneifen.
    Gregoritsch dachte ähnlich über den Polizisten. »Eigentlich müsste er Damian Blödmann heißen. Es ist erschütternd, dass die Polizei trotz des vielen Materials noch nichts zustande gebracht hat. Der gleiche Bergmann hat schon vor zwei Jahren Markos Verschwinden wie einen Ladendiebstahl behandelt.«
    Gregoritschs Gesicht rötete sich in ehrlicher Wut.
    Sie redeten noch eine Stunde lang über Markovics’ Affären, seinen Arbeitsstil und später über Bücher, die sie beide gelesen hatten. Dabei aßen sie Apfelstrudel aus Blätterteig mit Zimt und Nüssen in der Füllung.
    Erst um neun Uhr kam Albin nach Hause. Den Lektor an Bergmanns Stelle ins Vertrauen zu ziehen war ihm trotz allem nicht recht gelungen. Gregoritschs rascher Wechsel zwischen Melancholie, Euphorie, Resignation, leiser Zufriedenheit und lauter Aggression schreckte ihn ab. »Sie stören. Haben Sie schon auf die Uhr gesehen?«
    Ungeachtet der vorgerückten Stunde hatte Albin noch Hanna Goldmann angerufen. Ihr Freund Bruno Wagenschmied hatte abgehoben. Seine Stimme klang kalt.
    »Ich hatte mit Frau Goldmann vereinbart …«, fing Albin an.
    »Soll ich mich noch klarer ausdrücken? Lassen Sie Hanna in Ruhe, sonst werde ich ungemütlich.«
    »Wie ungemütlich?«
    Albin bekam keine Antwort mehr. Wagenschmied hatte schon aufgelegt. Albin wollte bei Gelegenheit den Chefinspektor auf Wagenschmied aufmerksam machen. Es konnte nicht schaden, ein Ekel auf das andere zu hetzen. Niemand wusste etwas über den neuen Geliebten Hanna Goldmanns. Hinter seiner auf den ersten Blick glitschigen Oberfläche verbarg er offenbar ein beträchtliches Aggressionspotential.
    Albin warf sich auf sein Bett. Der Kunststoff der Matratze produzierte gemeinsam mit dem Kunststoff des Bodens ein kreischendes Geräusch. Albin wollte sich zumindest ein paar Minuten lang dem Frust hingeben. Offenbar nervte er in dieser Sache nur jeden. Anscheinend war kein Mensch an seiner Arbeit interessiert. Niemand schätzte sein Engagement. Er war ganz allein.
    Da läutete das Telefon. »Ich fürchte, Sie wurden etwas roh behandelt«, sagte Hanna Goldmann. »Hier sind heute alle gereizt.«
    »Was ist passiert?«
    »Es ist jämmerlich, was unsere Kripoleute leisten. Sie sind Laien und Rüpel. Jetzt schnüffeln sie bei uns herum. Mein Freund hatte schon Schwierigkeiten im Job. Er arbeitet für den Mieterschutzverband. Das ist ein politischer Bereich. Sie können sich vorstellen, was polizeiliche Ermittlungen dort an Klatsch bringen.«
    Albin brauchte Wagenschmied offenbar gar nicht mehr anzuschwärzen. Bergmann wurde ihm wieder eine Spur sympathischer. »Was wollte die Polizei von ihm?«, fragte er.
    »Alibis. Routine, hieß es. So ein Schwachsinn. Das ist, als würde ein Fischer seine Angel im Stadthallenbad auswerfen.«
    »Hatte er welche?«
    »Was?«
    »Ihr Freund. Alibis.«
    »Fangen Sie jetzt auch noch an? Wir waren hier bei mir, haben gegessen, geplaudert und ferngesehen. Meine Katze kann es bestätigen. Das Ganze ist doch lächerlich.«
    »Polizisten arbeiten meistens nicht auf der Basis intelligenter Überlegungen, sondern auf der von Vorschriften.“
    Hanna Goldmann

Weitere Kostenlose Bücher