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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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Toten.«
    »Wahrscheinlich heißt wohl, dass du es wieder nicht genau weißt?«
    »Ich werde es wahrscheinlich in einer halben Stunde genau wissen.«
    »Weißt du was, Kollege Albin. Auch wenn das unfreundlich klingt: Bitte verschone mich endlich mit diesem Blödsinn. Was willst du eigentlich? Wir liegen mit dem aktuellen Heft in den letzten Zügen. Schlimm genug, dass du da draußen spazieren gehst, während wir uns abschuften.«
    May legte auf.
    Der Citroën krachte, als wollte auch er seine Meinung über den Chronikchef kundtun. »Solche wie ihn gibt es viele«, sagte Albin zu seinem Auto und verzichtete darauf, den zweiten Gang mit Gewalt ins Getriebe zu pressen. Wenn der Wagen warmgelaufen war, würde er ihn wieder von selbst akzeptieren. »Es gibt aber auch andere«, fügte er tröstend hinzu.
    Im Moment fielen ihm nur keine ein.
    Schönbrunn, die ehemalige Residenz der Habsburger blieb mit ihrem gelben Geschimmer aus Straßenlaternen, Schlossbeleuchtung und dotterfarbenem Verputz hinter Albin zurück. Resigniert fragte er sich, wie oft er noch die Autobahn nach Budapest nehmen und in Richtung Bratislava abbiegen würde, um beim Heidentor auf das Opfer eines Irren zu stoßen.
    Dieses Mal musste er sich auch selbst Vorwürfe machen: Vielleicht wäre der dritte Mord zu verhindern gewesen, wenn er systematischer, konsequenter und intelligenter vorgegangen wäre. Nur ein ganz winziger Hoffnungsfunke, dass Zimmermann doch noch leben könnte, half ihm über die Distanz bis zu dem Römerdenkmal.
    Um das Heidentor versammelte sich wie schon beim letzten Mord eine Gruppe von Polizisten und Rettungsleuten, unter die sich diesmal Feuerwehrmänner mischten. Als die Straße hinter der Unterführung wieder anstieg, war Albin klar, dass seine Hoffnung nur Illusion gewesen war. Er erkannte die Hilflosigkeit im Angesicht des Todes wieder, die selbst die erfahrenen Männer am Tatort unsicher und verloren wirken ließ.
    Vor dem Heidentor stieg dünner Rauch zum Himmel auf. Albin dachte zuerst an einen zerplatzten Scheinwerfer. Beim Aussteigen aus dem Wagen spürte er den beißenden Brandgeruch. Es roch intensiv nach einem Stück Fleisch, das in der Pfanne Feuer gefangen hatte.
    Er schloss die Wagentür hinter sich und wusste, dass er für den Anblick, der auf ihn wartete, nicht gewappnet war. Doch es war zu spät, um noch innere Schutzschilder aufzubauen. Er fühlte sich leer. Seine Beine setzten wie von selbst einen Schritt vor den anderen.
    Vor dem Heidentor lag etwas Schwarzes im Kies. Albin wusste, was es war, noch ehe sich die Umrisse ganz aus der Dunkelheit lösten. Hilfe suchend sah er sich um. Da war niemand, der ihm beistehen konnte, und es gab nichts, was ihn hätte beruhigen können.
    Eben noch hatte er mit Leo Zimmermann in einer Fensternische des Bräunerhofes gesessen. Jetzt lag seine verkohlte Leiche vor ihm. Er hätte sie mit den Fußspitzen berühren können. Die Kleider waren mit der Haut zu einer schwarzen Kruste verbrannt. Dort, wo sie aufbrach, schimmerte rotes Fleisch durch.
    Albin taumelte zurück. Als er sich mit der Hand über das feuchte Gesicht fuhr, klebten kleine Aschepartikel daran. Chefinspektor Bergmann kam auf ihn zu, doch Albin wollte nicht mit ihm sprechen. Er brächte kein einziges Wort heraus. Am liebsten hätte er sich auf den Boden gesetzt und geweint .

 
    Kapitel 13
     
    Dieses Mal beschwerte sich niemand über das kreiselnde Blaulicht. Die Einsatzleute arbeiteten stumm. Eisenstangen für die Absperrung wurden rund um die verkohlte Leiche in die Erde gerammt. Hektische Funksprüche platzten zwischen die mechanisch agierenden Zeugen des dritten Heidentor-Mordes wie verpuffende elektrische Ladungen. »Das hätte nicht passieren dürfen«, murmelte Bergmann. »Nicht zum dritten Mal am gleichen Ort.«
    Albin war voller Verachtung für den Chefinspektor. Er zweifelte nicht daran, dass der bloß den Ruf der Polizei und der Sonderkommission im Sinn hatte. Er gönnte dem Polizisten die Rügen, die sicher nicht ausbleiben würden. Das Heidentor war nach dem zweiten Mord in regelmäßigen Abständen von den örtlichen Gendarmen kontrolliert worden. Wie sich gezeigt hatte, nicht oft genug. Der Mörder hatte offenbar die Intervalle der Patrouillen herausgefunden. Bewegungsmelder oder Videoüberwachung, wie in solchen Fällen gebräuchlich, waren nicht eingesetzt worden. Bergmann würde das rechtfertigen müssen.
    Albin hätte wegen des allgegenwärtigen Brandgeruchs am liebsten die Luft angehalten.

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