Rote Lippen - jede Sünde wert
schockierter sein können. Fassungslos drehte sie sich zu ihm um. Plötzlich war ihr siedend heiß, und sie zog den Reißverschluss von ihrem dicken Parka auf. Was sollte das? Was hatte er sich dabei gedacht? Oder hatte sie ihn missverstanden? „Was haben Sie gesagt?“, stieß sie schließlich hervor.
„Wenn Sie beide bei mir wohnen, ist es für alle das Beste.“
Das kann doch wohl nicht wahr sein. Das ergab überhaupt keinen Sinn. „Wie kommen Sie denn darauf?“
„Ganz einfach: Wenn Bradley mein Sohn ist, dann habe ich viel Zeit mit ihm versäumt und viel nachzuholen. Ich möchte ihn gern in meiner Nähe haben, möchte das Kind kennenlernen. Und mich daran gewöhnen, Vater zu sein.“ Die letzten Worte kamen leise und ein wenig gepresst, als würde ihm plötzlich bewusst, was das bedeutete. Dass er plötzlich der Vater eines kleinen Jungen war, eine Rolle, von der er noch vor wenigen Stunden nichts hatte wissen wollen.
„Das kann ich mir vorstellen“, musste sie ihm recht geben. „Aber so lange dauert es auch nicht, bis die Ergebnisse da sind. Und da Bradley schon vier Monate alt ist, machen ein paar Wochen mehr oder weniger auch nichts aus. Außerdem muss ich zurück ins Geschäft nach Denver. Ich kann nicht einfach verschwinden.“
„Dann lassen Sie das Kind doch hier. Sie hatten ihn immerhin schon vier Monate bei sich, ich erst ein paar Stunden. Ich habe viel Platz und außerdem genug Geld, um eine Nanny zu engagieren.“
Haylie starrte ihn entgeistert an. Normalerweise verlor sie nicht so schnell die Fassung, aber jetzt war sie kurz davor, den Mann neben sich anzuschreien. Was dachte er sich dabei? Sie sollte ihm das Kind überlassen? Und einer fremden Frau, auch wenn sie noch so gut ausgebildet war? „Auf gar keinen Fall!“ Vor lauter Zorn konnte sie sich nur mühsam beherrschen. „Auch wenn ich nicht Bradleys richtige Mutter bin, ich war in den letzten zwei Monaten die einzige Mutter für ihn. Und es kommt überhaupt nicht infrage, dass ich ihn irgendwo mit irgendjemandem allein lasse.“
Entschlossen verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah grimmig geradeaus. „Auch wenn Sie der Vater sein sollten!“ Erst jetzt wurde ihr klar, dass ihre gute Absicht Folgen haben würde, die sie nicht bedacht hatte. Sie hatte doch nur das Richtige tun wollen, als sie dem Fremden gesagt hatte, dass er ein Kind habe. Von einer Frau, die ihn nie darüber informiert hätte, auch wenn sie am Leben geblieben wäre.
Vor allem hatte sie an Bradley gedacht. Schließlich war er doch ein Jarrod. Und selbst wenn sie davon überzeugt war, dass ein Kind auch ohne Millionen glücklich aufwachsen konnte, so hatte er doch das Recht, zu erfahren, aus welcher Familie er kam und wer seine Vorfahren waren.
Irgendwie war alles schiefgelaufen. Plötzlich stellte dieser Fremde Forderungen, mit denen sie nicht gerechnet hatte. Erst schwieg er, dann sagte er in diesem kalten, befehlsgewohnten Ton: „Ich kann Ihnen das Kind wegnehmen, darüber sind Sie sich hoffentlich im Klaren.“
4. KAPITEL
Eigentlich hatte Trevor Haylie nicht drohen, sondern sie mit überzeugenden Argumenten dazu bringen wollen, bei ihm einzuziehen. Aber als sie sich so entschlossen dagegen gewehrt hatte, war ihm nichts anderes eingefallen. Andererseits gefiel es ihm, dass sie bereit war, so vehement um den Jungen zu kämpfen. Falls sich tatsächlich herausstellte, dass Bradley sein Sohn war, hatte er allen Grund, ihr sehr dankbar zu sein, dass sie sich so für das Kind eingesetzt hatte.
Sicher, Bradley war ihr Neffe, es gab also eine starke natürliche Bindung. Da Haylies Schwester, an die Trevor sich immer noch nicht erinnern konnte, ihr aber offenbar nur Kummer bereitet hatte, wäre es verständlich gewesen, wenn Haylie sich von dieser Heather vollkommen abgewendet hätte. Wenn sie es sattgehabt hätte, der leichtsinnigen Schwester immer wieder zu Hilfe zu kommen. Aber genau das hatte sie nicht getan. Nicht nur, dass sie ihrer Schwester immer wieder beigestanden hatte, sie hatte nach Heathers plötzlichem Tod sogar deren Kind zu sich genommen. Deshalb stand er tief in ihrer Schuld – falls sich herausstellen sollte, dass Bradley tatsächlich sein Sohn war.
„Ich lasse ihn mir nicht wegnehmen!“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und riss Trevor damit aus seinen Gedanken. Das hörte sich so an, als wäre sie bereit, buchstäblich mit Zähnen und Klauen um das Kind zu kämpfen, und Trevor konnte nicht anders, er musste
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