Rote Sonne - heisse Kuesse
einschmeichelnden Betteln. „Ich will ihm ja nur helfen. Was Nonno gestern von diesem Mann gehört hat, hat ihn total geschwächt. Ich finde, es ist ganz schlimm, ihn so am Ende zu sehen.“
Schlechte Nachrichten, dachte Dante und wappnete sich schon jetzt für den drohenden Verlust. „Tut mir leid, das zu hören“, sagte er, „aber ich weiß wirklich nicht, worum es geht. Du musst einfach abwarten, bis Nonno sich entschließt, mir mitzuteilen, was ihn beschäftigt.“
„Erzählst du es mir denn, wenn du mit ihm gesprochen hast?“, bedrängte sie ihn.
Er zuckte die Schultern. „Das hängt davon ab, ob es vertraulich ist oder nicht.“
„Aber ich kümmere mich hier schließlich um ihn. Ich muss es wissen.“
Sein Großvater hatte eine eigene Krankenschwester und einen Stamm von Personal, die alle um sein Wohl besorgt waren. Dante warf seiner Cousine einen spöttischen Blick zu. „Du kümmerst dich nur um deine eigenen Interessen, Lucia. Da sollten wir uns nichts vormachen.“
„Oh, du … du …“ Leider fiel ihr kein geeignetes Schimpfwort für ihn ein.
Dante wusste, dass sie ihn hasste, weil er ihre Lügen durchschaute. Sie hatte ihn immer gehasst, aber eine offene Feindschaft war nicht ihr Stil.
„Ich liebe Nonno , und er liebt mich“, erklärte sie fest. „Das solltest du nie vergessen, Dante.“
Eine leere Drohung, aber es verschaffte Lucia wahrscheinlich Befriedigung, ihm diese Worte mit auf den Weg zu geben. Sie näherten sich dem Patio, und sie schlug den Weg nach rechts ein. Dort lag das große Fernsehzimmer, das einen guten Blick auf den Innenhof bot. Lucia würde von dort zwar alles sehen, aber nichts von dem Gespräch hören können.
Dante ging weiter und blieb erst stehen, als er ins Freie trat. Er sah sich um, bevor er sich bemerkbar machte. Sein Großvater lag unter einem Sonnenschirm auf einer bequemen, mit vielen Kissen bestückten Chaiselongue. Er trug einen marineblauen Seidenpyjama, der so locker um seinen Körper fiel, dass der Verlust seiner einst so kräftigen Statur dadurch noch stärker betont wurde. Seine Augen waren geschlossen. Trotz seines Zustands hatte er noch immer einen unbeugsamen Zug um das ausladende Kinn.
Die Krankenschwester saß neben ihm auf einem Stuhl, bereit, jeden seiner Wünsche zu erfüllen. Sie las ein Buch. Eine Karaffe mit Obstsaft und mehrere Gläser standen auf einem Tisch daneben. Kübel mit bunten Blumen sorgten für Farbenpracht. Aber Dante wusste, dass die Idylle trügerisch war. Etwas war schiefgegangen, und er würde es in Ordnung bringen müssen.
Das Geräusch seiner Schritte auf den Steinplatten des Innenhofs ließ die Krankenschwester aufblicken, und sein Großvater schlug die Augen auf. Die Schwester erhob sich. Carlo bedeutete ihr, sich zu entfernen, und forderte Dante mit einer Geste auf, ihren Platz einzunehmen. Er sprach erst, als sie verschwunden war und sein Enkel neben ihm saß.
Willkommensgrüße waren unnötig, und Nonno schätzte es auch nicht, wenn man sich nach seiner Gesundheit erkundigte. Deshalb wartete Dante schweigend ab, was sein Großvater ihm zu sagen hatte.
„Ich habe viele Dinge von dir ferngehalten, Junge. Private Angelegenheiten, persönliche Geschichten, schwierige Dinge.“ Carlos Miene ließ erkennen, wie sehr es ihm widerstrebte, über all dies zu sprechen. „Aber jetzt ist die Zeit gekommen, dir alles zu erzählen.“
„Ganz wie du willst, Nonno “, erwiderte Dante ruhig. Der Schmerz seines Großvaters berührte ihn tief.
Die sonst so glänzenden dunklen Augen waren getrübt, als sein Großvater ohne Umschweife erklärte: „Deine Großmutter, die einzige Frau, die ich jemals wirklich geliebt habe, meine schöne Isabella, ist in dieser Villa gestorben.“
Seine Stimme brach, er konnte vor Rührung nicht sprechen. Dante wartete, bis er sich wieder erholt hatte. Er war etwas verlegen angesichts der starken Gefühle, die sein Großvater nie zuvor geäußert hatte. Über seine Großmutter hatte er nur hin und wieder in den Zeitungen gelesen, die berichtet hatten, dass Marcos einzige Frau an einer Überdosis Drogen gestorben war. Als er seinen Großvater einmal nach der Geschichte gefragt hatte, hatte ihm dieser strikt verboten, je wieder darüber zu sprechen.
Dante vermutete, dass er sich am frühzeitigen, skandalösen Tod seiner Frau schuldig fühlte. Wenn sie wirklich die einzige Frau war, die er je geliebt hatte, war sein Kummer vielleicht so groß gewesen, dass er nicht darüber hatte sprechen
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