Rote Sonne - heisse Kuesse
können. Doch selbst dieses Leid erklärte nicht, warum Nonno hier sterben wollte.
Marco seufzte tief und verzog erneut das Gesicht. „Wie du weißt, hatten wir einen dritten Sohn.“
Der verschollene Rossini – auch das war eine Sensationsstory, die hin und wieder in den Zeitungen auftauchte und in denen heftig über das rebellische schwarze Schaf der Familie spekuliert wurde. Irgendwann war dieser Sohn dann völlig aus der Welt seines Vaters ausgestiegen – alles Spekulationen, die von den Rossinis nie bestätigt wurden. Es handelte sich dabei um ein Familiengeheimnis, das hochgradig tabu war. Sogar Dantes Neugier in Bezug auf den Onkel, den er nicht gekannt hatte, war nie befriedigt worden. Auf seine überraschte Miene reagierte sein Großvater mit einer abschätzigen Geste.
„Hör einfach nur zu.“ Dieser Befehl ließ keinen Raum für Fragen. „Ich habe Antonio aus unserem Leben verbannt. Niemand in der Familie durfte seinen Namen überhaupt erwähnen. Seinetwegen ist meine Isabella gestorben. Er hat seine Mutter umgebracht, nicht absichtlich, aber er hat ihr die Modedroge gegeben, an der sie gestorben ist. Es war sein Fehler, und ich konnte ihm nicht vergeben.“
Dante war starr vor Schock. War sein verbannter Onkel wieder aufgetaucht? War das das Problem?
„Er war der jüngste unserer vier Kinder. Dein Vater Alessandro …“, Marco seufzte und schüttelte den Kopf, noch immer tief bekümmert über den Verlust seines ältesten Sohnes, „… er war in jeder Beziehung mein Augapfel. Genau wie du es bist, Dante.“ Marco schloss kurz die Augen, bevor er fortfuhr: „Roberto … er war weicher. Von Anfang an stand fest, dass er kein Kämpfer wie Alessandro war, aber dafür besaß er künstlerisches Talent. Und Sophia, unsere Tochter … wir haben sie verwöhnt, gaben ihr zu viel, haben ihr jeden Wunsch erfüllt. Ich kann ihr nicht wirklich die Schuld für ihr Verhalten geben, auch wenn wir jetzt dafür zahlen müssen. Dann kam Antonio …“
Er räusperte sich. Über seinen jüngsten Sohn zu sprechen, kostete ihn sichtliche Anstrengung. „Er war ein sehr intelligentes Kind, übermütig, fröhlich, immer gut für amüsante Streiche. Er hat uns zum Lachen gebracht. Isabella vergötterte ihn. Von unseren vier Kindern sah er ihr am ähnlichsten. Er war … ihr Augapfel.“
Dante vernahm den Schmerz in jedem Wort und erkannte, dass Marco die Freude seiner Frau an ihrem Sohn geteilt hatte.
„Die Schule war viel zu leicht für ihn, er wurde dort nicht genügend herausgefordert. Deshalb hat er sich anderen Dingen zugewandt, die er aufregender fand, Abenteuer, Partys, körperliche Nervenkitzel, Experimente mit Drogen. Ich wusste nichts von den Drogen, Isabella hingegen schon. Sie hat es vor mir verheimlicht. Nach ihrem Tod gestand Antonio mir, dass sie versucht hatte, ihn davon abzubringen. Aber er bedrängte sie, die Droge auszuprobieren und selbst zu erfahren, wie wunderbar sie sich dadurch fühlen würde und wie harmlos das Ganze war.“
Mit abgrundtiefer Verachtung in seinem Blick wiederholte er bitter: „Harmlos …“ „Tragisch“, sagte Dante mit leiser Stimme. Er versuchte, sich das Grauen und den zweifachen Kummer vorzustellen, den sein Großvater empfunden haben musste, als er erkannte, auf welche Art seine Frau ums Leben gekommen war.
„Antonio hätte sterben müssen, nicht Isabella. Deshalb habe ich ihn in meiner Welt auch für tot erklärt.“
Dante nickte verständnisvoll. Keines dieser Ereignisse hatte sein Leben berührt. Noch immer war er völlig überrascht, dass seine Familie so viele Dinge vor ihm geheim gehalten hatte. Bestimmt war es ein Gradmesser dafür, wie skrupellos sein Großvater seine Macht eingesetzt hatte, damit kein Wort über den Drogenkonsum von Mutter und Sohn bekannt geworden war, weder öffentlich noch privat.
Marco lachte leise, aber es war ein freudloses Lachen. Spott über sich selbst lag in seinem Blick, als er sagte: „Ich hatte gehofft, ich könnte Frieden mit ihm schließen. Für jeden Mann ist es eine Tragödie, wenn sein Sohn vor ihm stirbt. Alessandro zu verlieren war … aber wenigstens hatte ich noch dich, den Sohn meines Sohnes, um die Lücke zu füllen. Antonio hingegen war komplett verloren. Und er bleibt komplett verloren. Mit ihm kann ich keinen Frieden mehr schließen.“
Dante runzelte die Stirn. „Du willst damit sagen …?“
„Ich habe eine Detektei beauftragt, ihn ausfindig zu machen. Ich wollte erfahren, wie sein Leben aussieht,
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