Roter Drache
Willy hinter der Umzäunung im Schein der Flutlichtbeleuchtung stehen.
Willy hatte sich breitbeinig vor ihr aufgepflanzt. So würde er verharren, bis Graham auf sie zutrat. Erst dann würde er neben ihnen hertrotten und mit seiner Aufmerksamkeit bedenken, was ihn gerade interessierte. Das mochte Graham an ihm.
Molly war genauso groß wie Graham - einen Meter sechsundsiebzig. Ein Kuß auf gleicher Höhe in der Öffentlichkeit war mit einem seltsamen Reiz verbunden - vielleicht, weil solche Küsse auf gleicher Höhe sonst eigentlich nur im Bett ausgetauscht wurden.
Willy erbot sich, Grahams Koffer zu tragen. Doch Graham gab ihm statt dessen seinen Kleidersack. Während der Fahrt nach Sugarloaf - Molly fuhr - stellte Graham sich anhand der vertrauten Details, welche die Scheinwerfer aus dem Dunkel schnitten, die restliche Umgebung vor.
Als er vor dem Haus die Tür öffnete, konnte er das Meer hören.
Willy trug den Kleidersack auf dem Kopf, als er ins Haus ging, so daß sein unteres Ende gegen die Rückseite seiner Oberschenkel schlug.
Abwesend, die Moskitos von seinem Gesicht fortfächelnd, stand Graham vor dem Haus.
Molly legte ihm sanft die Hand an die Wange. »Komm lieber ins Haus, bevor dich noch die Moskitos auffressen.«
Er nickte. Seine Augen waren feucht.
Sie wartete noch einen Moment, um schließlich den Kopf einzuziehen und mit zuckenden Augenbrauen zu ihm aufzuschauen. »Einen Tanqueray-Martini, ein saftiges Steak, zärtliche Umarmungen und so weiter. Wenn Sie mir bitte folgen würden... und zum Nachtisch die Stromrechnung, die Wasserrechnung und ausgedehnte Unterhaltungen mit meinem Sohn«, fügte sie aus dem Mundwinkel hinzu.
53. K APITEL
G raham und Molly wünschten sich nichts sehnlicher, als daß zwischen ihnen alles weiter so sein würde, wie es bisher gewesen war.
Doch als sie merkten, daß dem nicht so war, lebte dieses unausgesprochene Wissen wie ein ungebetener Besuch mit ihnen im Haus. Die gegenseitigen Liebesbeteuerungen, die sie sowohl im Dunkeln wie am Tag auszutauschen bemüht waren, wurden einer Brechung unterzogen, die sie irgendwie das Ziel verfehlen ließ.
Nie hatte er Molly schöner und begehrenswerter gefunden. Aus schmerzlicher Distanz bewunderte er ihre natürliche Anmut um so mehr.
Sie gab sich Mühe, liebevoll zu ihm zu sein; doch sie war in Oregon gewesen und hatte die Toten wieder zu neuem Leben erweckt.
Willy spürte das sehr wohl und verhielt sich Graham gegenüber entsprechend kühl und vor allem aufreizend höflich.
Als ein Brief von Crawford kam, brachte Molly ihn ihm ohne Kommentar mit der übrigen Post.
Unter anderem enthielt der Brief ein Foto der Familie Sherman, bei dem es sich um einen Abzug von einem Schmalfilm handelte. Nicht alles war verbrannt, wie Crawford in dem beigefügten Brief schrieb. Als die Polizei die Umgebung des Hauses absuchte, war neben verschiedenen anderen Gegenständen, welche die Explosion aus dem Einzugsbereich des Feuers fortgeschleudert hatte, auch dieses Foto gefunden worden.
»Vermutlich wären diese Leute die nächsten auf seiner Liste gewesen«, schrieb Crawford dazu. »Doch jetzt haben sie nichts mehr zu befürchten. Ich dachte, das könnte dich unter Umständen interessieren.« Graham zeigte den Brief Molly.
»Siehst du? Deswegen«, sagte er. »Deswegen war es die Sache wert.«
»Ich weiß«, nickte sie. »Du brauchst nicht zu denken, ich verstünde das nicht.«
Die Blaufische zogen unter dem Mond dahin. Molly packte Sachen für Picknicks, sie angelten und sie machten Lagerfeuer, aber genießen konnten sie es doch nicht.
Großvater und Mamamma schickten Willy ein Foto von seinem Pony, das er in seinem Zimmer an die Wand hängte.
Der fünfte Tag zu Hause war der letzte, bevor Graham und Molly in Marathon wieder zu arbeiten anfangen mußten. Sie angelten in der Brandung; sie hatten eine Stelle einen halben Kilometer den sanft geschwungenen Strand hinunter aufgesucht, wo sie früher schon öfter Erfolg gehabt hatten.
Graham hatte beschlossen, mit ihnen beiden gemeinsam zu sprechen.
Die Expedition nahm keinen guten Anfang. Demonstrativ schlug Willy die Angelrute ab, die Graham für ihn fertiggemacht hatte, und entschied sich statt dessen für die neue Angel, die ihm sein Großvater zum Abschied geschenkt hatte.
Drei Stunden angelten sie schweigend in der Brandung. Graham setzte mehrfach zum Sprechen an, aber irgendwie schien ihm der Augenblick nicht richtig gewählt.
Er hatte es satt, nicht gemocht zu werden.
Mit Sandflöhen als Köder
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